Daniela Böhle über Postbank: Ein Leitungswunder
Einmal Warteschleife, immer Warteschleife? Nein, auch Automatenstimmen sind vernunftbegabt
Verführerisch an der Postbank sind die blauen Briefumschläge, in die man alle Mitteilungen an die Bank schieben und einfach in den Briefkasten stecken kann. Mein Lieblingsnachteil aber ist das Telefonieren mit der Postbank:
Als ich den Postbankvertrag unterschrieben hatte, wurde mir als Erstes die Karte für den Geldautomaten zugeschickt.
Ich konnte sie nicht benutzen, weil die Geheimzahl separat zugeschickt werden würde. Wie umsichtig! Das wäre ja eine schöne Bescherung gewesen, wenn jemand den Brief abgefangen hätte! Ich freute mich so lange, bis im nächsten Briefumschlag der Postbank nur eine Werbebroschüre steckte. Weitere Tage später, in denen ich mir bereits Geld von Freunden lieh, weil ich noch keine Geheimzahl besaß und immer erst an frisches Geld dachte, wenn die Postfilialen schon geschlossen hatten, kam wieder Post. Diesmal war es die PIN-Nummer für das Telefonbanking. Ich lieh mir weiter Geld und belauerte den Briefkasten. Vermutlich hätte ich stattdessen auch die Postfiliale belauern können, aber man verliert ja manchmal den Sinn für das Naheliegende.
Einige Tage später kam das Kennwort für das Internetbanking. Darüber konnte ich mich gar nicht mehr aufregen. Immerhin konnte ich mit Telefon- und Internetbanking meine Miete zahlen. Das ging auch mit den blauen Umschlägen, die ich inzwischen in 50er-Portionen alle paar Tage zugeschickt bekam. Nach den blauen Briefumschlägen kamen Überweisungsformulare, Scheckeinreichungsformulare, Dauerauftragsformulare und Barauszahlungsscheine.
Es wurde zunehmend rätselhaft, warum ich immer nur in den Abendstunden an Postbankfilialen vorbeikam.
Zuletzt trudelte die Geheimzahl ein, die wohl in den vergangenen Wochen Urlaub auf Mallorca gemacht hatte.
Ich plünderte mein Konto und hatte inzwischen so viele Formulare, Kennworte und Geheimzahlen zugeschickt bekommen, dass ich nicht mehr zurückkonnte. Nun war ich mit der Postbank auf immer und ewig verbandelt: So viel Ausdauer würde ich kein zweites Mal aufbringen.
In den folgenden Wochen verlegte mein Unterbewusstsein den größten Teil der Unterlagen. Nicht nur in solchen Momenten wünsche ich mir sehnlichst eine Auskunft von einem echten Menschen:
„Guten Tag“, sagt die Automatenstimme. „Sie sind mit dem Postbank-Easytrade verbunden. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Anfrage zu beschleunigen. Bitte geben Sie jetzt Ihre Kontonummer mit der Telefontastatur ein.“
Danach sagt sie: „Wir haben eine persönliche Geheimzahl vermerkt. Bitte geben Sie jetzt ihre Geheimzahl PIN ein.“
Ratlos krame ich herum, finde eine Nummer, die ich nicht kenne, und tippe sie ein. Ruhig sagt die Stimme: „Ihre Geheimzahl PIN müsste fünfstellig sein. Bitte geben Sie jetzt Ihre persönliche Geheimzahl PIN ein.“ Und schließlich: „Wir haben leider zu oft Fehlangaben empfangen. Wir stellen Sie nun zu unserem Direktservice durch. Sie befinden sich nun im Hauptmenü. Bitte geben Sie jetzt Ihre Kontonummer mit Ihrer Telefontastatur ein.“
Ich frage mich, warum alle anderen Menschen der westlichen Welt diesen Anforderungen gewachsen sind. Ich möchte in ein Land auswandern, in dem es keine Geldinstitute gibt. Ich möchte im Urwald Fallen aufstellen, gegen Tiger und Schlangen kämpfen und keine Kontonummer besitzen.
Verzweifelt gebe ich ein weiteres Mal meine Kontonummer ein.
Ich rutsche in eine Zeitschleife, aus der es kein Entkommen gibt. „Sie haben die Möglichkeit, Ihre Anfrage zu beschleunigen“, sagt die Automatenstimme. „Bitte geben Sie jetzt Ihre Kontonummer mit der Telefontastatur ein. Bitte geben Sie jetzt Ihre persönliche Geheimzahl PIN ein. Ihre Geheimzahl muss fünfstellig sein. Sie befinden sich nun im Hauptmenü. Bitte geben Sie Ihre Kontonummer mit Ihrer Telefontastatur ein.“
Hilflos schreie ich ins Telefon: „Ich weiß, wo du sitzt! Du kannst es nicht sehen, aber ich habe eine Handgranate in der Hand! Ich lege jetzt auf und bring die in dein Büro!“
Die Automatenstimme stockt und fragt dann: „Im Ernst?“
„Na gut“, sagt sie, „dann kürzen wir das hier ab. Was willst du?“
„Erst mal meine PIN-Nummer“, verlange ich, und die Stimme sagt: „Moment, hier steht sie, 54473. Noch was?“ – „Auch alle anderen Geheimzahlen“, sage ich und bekomme sie. Ich schreibe sie in meinen Taschenkalender, wovor immer gewarnt wird, und fühle mich gut. „Noch was?“, fragt die Automatenstimme. Nachdem sie ein paar Fragen zum Thema Kontogebühren beantwortet hat, lege ich auf.
Warum das so ist, kann ich gar nicht recht sagen, aber jetzt bin ich ziemlich beschwingt. Ich revidiere meine Meinung zum Thema Postbank. Eigentlich doch ein brauchbarer Verein.
Fragen zum Internetbanking?kolumne@taz.de
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