: Vom Vogelschutz zum Flächenfraß
Mit einem großangelegten Fachtag zum Thema Klimawandel in der Unterweserregion begeht der Bund für Umwelt- und Naturschutz in Bremen heute seinen 90sten Geburtstag. Ein Interview
aus Bremen Elke Heyduck
taz: Fangen wir mit Eurer Jubiläumslüge an: taz-Recherchen haben ergeben, dass der Bund für Umwelt- und Naturschutz erst 1974 gegründet wurde. Wie kann da der Bremer Landesverband seinen 90sten Geburtstag feiern?Martin Rode (Geschäftsführer des Bund in Bremen): Weil der Bund in Bremen aus einer Vorläuferorganisation, nämlich der Bremer Naturschutzgesellschaft hervorgegangen ist und diese wiederum aus der Gesellschaft zum Schutz für heimische Vögel. Gründungsjahr: 1914. Gründungsort: Bremen. Mit einem großangelegten Fachtag zum Thema Klimawandel in der Unterweserregion begeht der Bund für Umwelt- und Naturschutz in Bremen heute seinen 90sten Geburtstag.
Gibt es da denn irgendwelche Kontinuitäten?Ich würde eher sagen, es gibt drei Phasen: Die erste fällt zusammen mit dem Aufkommen der Naturschutzbewegung in Deutschland, die sehr stark an Vögeln orientiert war. Vogelfang, zum Beispiel im Bremer Blockland, wurde hier massiv betrieben und rief die Vogelschützer auf den Plan. Viele der Mitglieder waren aber auch einfach Liebhaber von Singvögeln, die sie zu Hause in Käfigen hielten. Die haben sich zum Beispiel gegen Vogelfedern als Hutschmuck stark gemacht. Dieser Verein hat dann aber schon bald seinen Wirkungsbereich erweitert und sich mit dem Wattenmeer befasst. Der Verein hat dann, um nur ein Beispiel zu nennen, die Insel Mellum in der Wesermündung betreut. Vom Vogelschutz war man inzwischen allgemein beim Tierschutz angekommen. Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich diese Vereinigung dann mehr und mehr der Umweltschutz-Themen angenommen. Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung etc. Anfang der 50ger tauchten dann auch so aktuelle Begriffe wie Flächenverbrauch auf. Und in den 70ern hat die Gesellschaft dann plötzlich solche Themen wie Atomkraft aufgenommen. Mit dieser Vielzahl neuer Themen ist die Naturschutzgesellschaft dann 1978 als Landesverband in den Bund eingetreten.
Wer waren denn in den vergangenen Jahrzehnten eure Bündnispartner?Wir haben im Bund allgemein – und das gilt auch für Bremen – eine sehr breite Bündnis- und Kooperationskultur. Die wichtigsten Partner für uns sind natürlich die benachbarten Organisationen. Der WWF (World Wildlife Fonds), der bei uns mit im Haus sitzt, die Aktionskonferenz Nordsee, der ADFC. Wir haben sehr gute Kontakte zu kleineren Gruppen wie der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft und zu Bürgerinitiativen. Ansonsten stehen wir mit den Parteien im mehr oder weniger konstruktiven, auf jeden Fall aber regelmäßigen Diskurs. Dabei arbeiten wir, abhängig von den Themen, mit allen Parteien zusammen.
Das heißt aber, es gibt schon eine große, realpolitische Nähe zur Politik: Ihr haut lieber einmal weniger auf die Tonne, um im stillen Kämmerlein einen Kompromiss auszuhandeln?Wir sind sehr am Ergebnis, am zählbaren Ergebnis orientiert. Und insofern loten wir in unserer Arbeit Wege aus, die dann vielleicht nicht alles bringen, aber zu wichtigen Teilerfolgen führen. Wir gelten zurecht als Organisation, die von Anfang an ihre Forderungen in den politischen Raum getragen hat.
Eure größten Erfolge?
Es war ein erklärtes Ziel unseres Landesverbands, das Schlusslicht der deutschen Naturschutzstatistik zu verlassen. Bremen hatte damals 0,01 Prozent seiner Landesfläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Da sind wir – insbesondere in SPD-geführten Legislaturperioden in den 80ern – einen Riesenschritt vorangekommen. Bei den Naturschutzgebieten ist Bremen heute im vorderen Mittelfeld, wenn man die Vogelschutzflächen nimmt, dann sind wir in Deutschland ganz vorne.
Und welches ist die größte noch zu bewältigende Aufgabe?Nach wie vor ist unsere schwierigste Aufgabe, den enormen Flächenverbrauch zu begrenzen. Das ist kein bremisches Thema. Das ist das größte Umweltproblem in Mitteleuropa, und es gibt noch keine Ansätze für positive Trends. Bremen ist da durch die Sanierungspolitik der letzten acht bis zehn Jahre vorneweg. Einzig die lahmende Konjunktur arbeitet uns da ein bisschen in die Hände. Der Flächenverbrauch nimmt nicht mehr im selben Maße zu wie in Zeiten des Aufschwungs. Wir hoffen sehr, dass dieser Rückgang nicht nur konjunkturabhängig ist.
Ihr macht ein Geburtstagssymposium zum Thema „Klimawandel“ – kein sehr lokales Thema, oder?Der Klimawandel ist ein weltweit bedeutsames Thema, das aber vor unserer Region ja nicht halt macht. Wir müssen uns hier mit den Ursachen – zu denen wir als Transportregion mit Häfen und Autobahnen massive beitragen – beschäftigen aber auch mit den Folgen. Vom Anstieg der Meeresspiegel, von zunehmend wahrscheinlichen Sturmfluten und Hochwassern im Binnenland werden wir in dieser Region besonders betroffen sein. Und die geplanten Vertiefungen von Weser und Elbe werden diese Entwicklung beschleunigen und verstärken. Wir stehen trotz der überall leeren Kassen vor einer Lawine solcher Großeingriffe.
Im Bremer Konsul-Hackfeldhaus findet heute – in Kooperation mit der Universität Bremen – das Symposium Klimawandel in der Unterweserregion statt. 17 Uhr: Podiumsdiskussion u.a. mit dem Bremer Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU), der Vorsitzenden des BUND Angelika Zahrnt und dem Klimaforscher Michael Schirmer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen