: US-europäische Reise in eine unwirtliche Welt
Nächste Woche erreicht die Weltraumsonde Cassini-Huygens den Ringplaneten Saturn. Über sechs Jahre ist die Doppelsonde jetzt schon unterwegs
Es ist einer der seltsamsten Orte im Sonnensystem. Im Dämmerlicht des Tages leuchten tief hängende Wolken dunkel-orange. Meterhohe schwarze, ölige Wellen branden wie in Zeitlupe an eine Küste voller riesiger bunter Eissäulen. Große Regentropfen schweben auf den Boden. Sie riechen nach einer Mischung aus Tankstelle und Toilettenreiniger.
So ähnlich könnte es auf dem Titan sein, dem wohl rätselhaftesten Mond des Sonnensystems. Er umkreist den Ringplaneten Saturn und ist mit über 5.000 Kilometern Durchmesser der zweitgrößte Mond im Sonnensystem. Er scheint mit seiner dichten Smogatmosphäre aus Stickstoff, Methan und anderen organischen Kohlenwasserstoffen der frühen Erde zu ähneln.
Seit Jahrzehnten beschäftigt der Saturnmond die Fantasie der Wissenschaftler. Sie gehen davon aus, dass er Methanozeane besitzt und Kontinente, die mit organischen Kohlenwasserstoffeis überzogen sind. Manche meinen gar, der Titan könnte primitives Leben beherbergen. Die Spekulationen blühen um so mehr, als kaum ein Teleskop in der Lage ist, durch seine dicke Wolkenschicht hinunter auf die Oberfläche zu blicken.
Nun jedoch brauchen die Forscher nicht mehr lange zu warten, um mehr über den Saturnmond zu erfahren. Am kommenden Donnerstag wird die amerikanisch-europäische Raumsonde Cassini-Huygens nach siebenjähriger Reise in eine Umlaufbahn um den Ringplaneten einschwenken. Vier Jahre lang soll Cassini den Saturn und seine Monde eingehend erkunden.
Der Höhepunkt der Mission wird bereits im Januar nächsten Jahres stattfinden: Dann soll das kleine europäische Landegerät Huygens an einem Fallschirm auf den Titan herabschweben und auf seiner Oberfläche landen. Schon aus der Titanatmosphäre wird Huygens Bilder und Daten senden. Im Glücksfall könnte das Landegerät nach dem Aufprall auf der Oberfläche noch eine halbe Stunde lang arbeiten.
Manche Forscher geraten schon jetzt ins Schwärmen. „Der Titan ist wie eine Zeitmaschine“, sagt Dennis Matson vom kalifornischen Jet Propulsion Laboratory. „Dieser neblige Mond könnte uns Aufschluss darüber geben, wie sich die primitive Erde zu einem Leben tragenden Planeten entwickelt hat.“
Sollte der nur 350 Kilogramm schwere Huygens-Lander versagen, bleibt den Forschern die Hoffnung auf die Muttersonde Cassini. Sie wird den Saturn 76-mal umkreisen, zwischen seinen Ringen „durchtauchen“ und dabei seine innere Beschaffenheit, das Ringsystem und seine Atmosphäre studieren. Auch an den größeren der 31 bekannten Saturnmonde wird Cassini Dutzende Male vorbeifliegen. Allein 45 Nahbegegnungen sind mit dem Titan vorgesehen.
Cassini ist die größte, schwerste und teuerste Sonde, die die Nasa je in die Weiten des Alls geschickt hat. Sie wiegt sechs Tonnen und hat fast die Ausmaße eines Autobusses. Die Projektkosten betrugen bisher drei Milliarden Dollar, von denen allein die Nasa mehr als zwei Milliarden trägt. „Das Saturnsystem ist ein einzigartiges Laboratorium“, verteidigt der Nasa-Chefwissenschaftler Ed Weiler die immensen Kosten. „Dort finden wir Antworten auf viele grundlegende Fragen der Physik, der Chemie, der Entwicklung von Planeten und von Leben.“ KENO VERSECK
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