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EU-Kubapolitik in Trümmern

Die Beziehungen zwischen Kuba und der EU sind nach der jüngsten Rede Fidel Castros auf dem Gefrierpunkt. Castro bezeichnet die EU als „trojanisches Pferd der USA“

BERLIN taz „Die Europäische Union macht sich Illusionen, wenn sie behauptet, dass der politische Dialog weitergeführt werden soll. Die Souveränität und Würde eines Volkes wird mit niemandem diskutiert, und noch viel weniger mit einer Gruppe ehemaliger Kolonialmächte.“ Die Worte des kubanischen Staats- und Regierungschefs Fidel Castros vom Samstagabend in Santiago de Cuba sind unmissverständlich.

Was Castro da zum Jahrestag des Sturms auf die Moncada-Kaserne sagte, bedeutet das vorläufige Ende der EU-Prämisse „Wandel durch Annäherung“. Unter dieses Motto hatte die EU in den vergangenen Jahren ihre Kubapolitik gestellt, und erst im März war die EU-Interessensvertretung in Havanna mit einer großen Party eingeweiht worden. Ein Schritt in eine „neue Ära“, so hatte der dänische Entwicklungskommissar Poul Nielson damals gehofft.

Doch das Gegenteil ist eingetreten. Statt mitten in einer neuen Ära des politischen Dialogs, steht die Europäische Union vor den Trümmern ihrer Kubapolitik. Anfang Juni hatte die EU in einer Note sich „zutiefst beunruhigt über die fortgesetzten eklatanten Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten gegenüber der kubanischen Opposition“ gezeigt. Sanktionen wie die Einstellung von hochrangigen bilateralen Regierungstreffen und die Reduzierung der kulturellen Zusammenarbeit sollten der Note Nachdruck verleihen.

Doch das kubanische Außenministerium beurteilte die kritische EU-Note, die anlässlich der standrechtlichen Erschießung von drei bewaffneten Bootsentführern verfasst worden war, als Einmischung in die inneren Angelegenheiten und wies sie entschieden zurück. Gleichzeitig warf das Außenministerium in seiner öffentlichen Entgegnung der Union Arroganz, Doppelmoral und Niedertracht vor.

Das ist der Auftakt für eine bisher beispiellose kubanische Kampagne gegen einzelne EU-Mitgliedsländer wie Spanien und Italien. Spaniens Staatschefs José María Aznar wurde von Fidel Castro persönlich als „Führerchen“ bezeichnet, Italiens Premierminister Silvio Berlusconi mit Faschistenführer Mussolini verglichen.

Nach kubanischer Lesart ist vor allem Spanien für die Gestaltung der EU-Politik gegenüber Kuba verantwortlich, die mehr und mehr die Handschrift der USA trage, so die Ausführungen des kubanischen Außenministeriums. Italien zog sich hingegen den Unmut der Kubaner zu, weil Rom sämtliche Kooperationsprojekte im Wert von rund 40 Millionen Euro mit der Insel einfror.

Auf derartige Hilfen könne Kuba verzichten, so der kubanische Staatschef in seiner Rede. Minutiös rechnete Castro vor, wie viel humanitäre Hilfe die Karibikinsel in den letzten Jahren erhalten habe, um anschließend den Verzicht auf diese Hilfe zu bekräftigen.

Schon zuvor, im Juni, hatte Kuba seinen Antrag auf Mitgliedschaft in die Gruppe der AKP-Staaten zurückgezogen, die der Insel privilegierte Handelsbeziehungen zur EU und mehr Entwicklungshilfen gebracht hätten. Zwischen der Regierung in Havanna und Brüssel geht zunächst gar nichts mehr. Castro hatte lange gehofft, dass die EU ein Gegengewicht zur USA bilden könne. Die Hoffnung hat der fast 77-Jährige mit seiner Rede in Santiago de Cuba aufgegeben und die offene Konfrontation mit der EU gewählt. An eine Wiederaufnahme des Dialogs ist vorerst kaum zu denken, zumal Havanna die Konditionen dafür vorgeben will. Gespräche mit den Dissidenten gehören nicht dazu. Die gelten in Kuba als Söldner und Kriminelle, und das kubanische Außenministerium weist in einem Schreiben darauf hin, dass laut der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen subversive Tätigkeiten an Botschaften untersagt sind. Der Dialog ausländischer Regierungen mit der Regierung und der Opposition wird damit verunmöglicht. Ein Dilemma für die EU-Prämisse von „Wandel durch Annäherung“. KNUT HENKEL

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