OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„All You Need Is Love“: Klingt heute etwas naiv und albern, wurde zur Glanzzeit der Blumenkinder in den Sechzigerjahren jedoch durchaus ernst genommen. In dem von Paul McCartneys Kinderliedchen über ein gelbes Unterseeboot inspirierten Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ fanden Regisseur George Dunning und Art-Director Heinz Edelmann allerdings zu einem eher spielerischen Umgang mit der unvermeidlichen Beatles-Hymne: Die Musik der Fab Four (die am Ende des Films auch leibhaftig ein kleines Grußwort sprechen) besiegt die blauen, traurigen Blue Meanies mit ihren Musikabwehrraketen und dem bei Adolf entlehnten Motto „Der Himmel ist blau und morgen die ganze Welt“ und befreit das friedliche Pepperland. Sehr schön zeigt die britische Produktion mit ihrer von der Pop-Art inspirierten grafischen Umsetzung der Beatles-Musik und der Unmenge von aberwitzigen, surrealen Einfällen, worin sich die englische von der amerikanischen Acid-Ära unterschied: Wie die gesamte britische Psychedelia ist auch „Yellow Submarine“ eine halluzinatorisch-bunte Reise ins Land der Fantasie, letztlich mehr Mode als tatsächlicher Lebensinhalt. Für die zugedröhnten Amerikaner endete das Jahrzehnt von Peace & Love hingegen im Schlamm von Woodstock und mit den Morden der Manson-Family weit weniger stilvoll.***Bécassine, das lustige Kindermädchen in der traditionellen bretonischen Tracht, ist seit Jahrzehnten ein französischer Comic-Star – ihre Erfindung liegt bereits nahezu 100 Jahre zurück. Äußerlich nahezu unverändert, mit Haube und weiß-rot kariertem Beutelchen, begibt sich die pfiffige Dame in ihrem ersten, von Philippe Vidal inszenierten Spielfilm auf eine moderne Schatzjagd, die sich vor allem an kleine Kinder zwischen fünf und zehn Jahren richtet. Das Drama ist hier nicht wirklich dramatisch, die Schurken wirken doch eher komisch als böse, und die Farben erstrahlen in Bonbon-Color. Die vielen Schauplatzwechsel machen den Plot ein wenig chaotisch, sind jedoch typisch für die Bécassine-Geschichten und passen eigentlich ganz gut zu der stets ein wenig desorganisierten Heldin …***Eine in tristen Grau- und Brauntönen gehaltene morbide Ode an das Scheitern des bourgeoisen Künstlers, untermalt vom Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie: Luchino Viscontis filmische Umsetzung der Thomas-Mann-Novelle „Der Tod in Venedig“ gehört zum Elegischsten, was das Kino zu bieten hat. Aus Manns Schriftsteller Aschenbach, einem erstarrten Leistungsethiker, der eine plötzlich über ihn hereinbrechende Welle der Sinnlichkeit nicht verkraftet und in einem letzten Höhepunkt der Schaffenskraft in ihr untergeht, wird bei Visconti – in Anlehnung an Gustav Mahler – ein Komponist, der bereits bei seiner Abreise nach Venedig ein gebrochener Mann ist. Aschenbachs (der große Dirk Bogarde in einer seiner besten Rollen) Verfall korrespondiert dabei mit dem Niedergang der Lagunenstadt, die hier von einer Aura der Fäulnis umgeben zu sein scheint.LARS PENNING
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