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Demuth jetzt Braun-Weiß-Gold

Dietmar Demuth, Ex-Trainer vom FC St. Pauli, ist Tabellenführer in der ghanaischen Premier League. Neben verzauberten Kabinen findet er in der Region Ashanti die Freude am Fußball und ein goldenes Team

von OKE GÖTTLICH

„Auszeit“ heißt es häufig nach einer Entlassung oder einem Rücktritt von Fußballtrainern. Die Betroffenen bemühen sich darum, es so rüberkommen zu lassen, als ob die Hände einfach zu einem „T“ übereinander gelegt werden. Nur das es dabei um das eigene Leben und nicht um ein Spiel geht, das kurzfristig vom Schiedsrichter unterbrochen worden ist.

Für den Fußballtrainer Dietmar Demuth ist die Auszeit mehr gewesen als eine kurze Unterbrechung des Berufsalltags. Mehr als eine benötigte Ruhephase, um sich von dem Aufmerksamkeit erregenden Job mit ein paar Partien Golf zu erholen, um den Akku wieder aufzuladen. Sein Akku war stetig geladen, denn es war sein Job am Millerntor – der auch seine Heimat war – der sein Herz schneller schlagen ließ. Hundertausende jubelten dem ehemaligen Braun-Weißen zu, als er mit einer spielerisch schwachen St. Pauli-Mannschaft den Aufstieg in die erste Bundesliga schaffte. Der Unmut gegenüber dem Hamburger Original wuchs erst, als der Erfolg schwand, den das Team selbst nicht glauben konnte. Demuth brauchte keine Auszeit, denn er stieg wieder in die Klasse ab, die der Stärke des Vereins entsprach. Es sind die Phasen im Fußballgeschäft, in der verblendete Schiedsrichter aus den Vereinen Auszeiten anzuordnen pflegen.

„Didi“ ging und mit jedem Kelch mehr, den er im Stadtteillokal „Schampus“ ausschenkte, verließ auch seinen Club die Hoffnung. Das Rampenlicht wand sich von beiden ab. Der FC St. Pauli spielte in der Regionalliga und Demuth versuchte seinen Tatendrang als Wirt zu dämpfen. „Wenn man St. Pauli trainiert hat, hat man so ziemlich alles erlebt“, sagt er nun, während seine Umzugskartons auf dem Weg nach Gran Canaria sind. Es sind wohl die gleichen Kritiker gewesen, die Dietmar Demuth damals mangelndes taktisches Verständnis vorwarfen und heute den defensiven und vermeintlich unmodernen Fußball Otto Rehagels kritisieren. Meistertrainer wie Rehagel müssen sich im Ausland rehabilitieren. Und auch Trainer wie DD, wie es immer knapp auf seinem Trainingsanzug hieß, versuchen sich über das Ausland neu zu empfehlen. Wenn auch nicht für‘s Nationalteam, dann doch wieder für den Vereinsfußball.

Ein Jahr dauerte es, bis sich neue Wege auftaten. Für den Coach, der die Vokale länger ziehen kann als jeder andere Norddeutsche, hieß das: Auf in den Süden. „Das war reiner Zufall“, sagt Demuth. Nach einem Gespräch mit den ehemaligen Fußballmanagern der beiden großen Hamburger Vereine, Stephan Beutel und Holger Hieronymus, reifte die Entscheidung eine Vereinsmannschaft in Ghana zu übernehmen.

„Es war wie erwartet eine komplett andere Welt“ für Demuth, als er im März dieses Jahres mit seiner Arbeit an der afrikanischen Westküste beginnen sollte. Fünf Autostunden von der ghanaischen Haupstadt Accra entfernt, findet sich Demuth im Landesinneren wieder. „Da gibt es keine Urlauber, kaum Restaurants und Dolmetscher schon gar nicht“, berichtet Demuth. In Kumasi ist er komplett auf sich allein gestellt. Ungewöhnlich für den geselligen Jung‘, dem der Spaß am Job wichtiger ist, als alte Hamburger Zöpfe. Gesellschaft findet Demuth nur, wenn mal wieder englische Geschäftsleute in Ashanti vorbeischauen. Sein Team heißt Ashanti Gold und der Zusatz im Namen ist der Grund für Geschäftsleute in Ghana vorbeizuschauen. Die bekanntesten Goldminen des Landes befinden sich in unmittelbarer Nähe. „Es werden nur Goldgeschäfte gemacht, sonst gibt es dort kaum etwas. Meinem Englisch tut das gut“.

Seine Auszeit verbringt er aktiv. Demuth lernt. Nicht nur neue Sprachen, sondern auch neue Kulturen und neue Menschen kennen. „Goldene Horizonte“ scheinen sich für den Stadtteilpatrioten zu öffnen. Wobei mit Gold weniger die pünktliche Bezahlung durch den minenfinanzierten Verein, sondern sein persönliches Glück gemeint sein soll. Drei Spiele absolvierte er bislang in der Ghana Premier League. Verloren hat Demuth keines. Im Gegenteil. Er besiegte den FC Bayern Ghanas, Kotoko, auswärts mit 4:1. 20 Minuten wurde Demuth da über das Feld getragen. Bis er die Polizei anrufen musste, weil er sich sorgte, nicht mehr runtergelassen zu werden. „Natürlich macht man sich alle möglichen Sorgen“, sagt Demuth. Angst habe er aber bisher nie gehabt. Obwohl die Begeisterung auch schnell ins Gegenteil umschlagen kann, wie er schon aus St. Pauli-Zeiten weiß.

Um möglichst lange an der Tabellenspitze zu bleiben, versucht der Coach seinen Schützlingen vor allem profane Dinge wie „Pünktlichkeit und Disziplin“ zu vermitteln. Das Halten von Positionen sei nicht die Stärke des afrikanischen Clubfußballs, sagt Demuth. Für afrikanische Verhältnisse kann Demuth auf ein Trainingsparadies zurückgreifen. Finanziert durch Goldminen und Shell, dem neuen Hauptsponsor, der 1,2 Millionen Dollar in das Team steckt, kann Ashanti seinen Spielern neben einem Trainingscamp mit Rasen auch ein Jugendinternat bieten. „Der Club ist sehr professionell geführt“, sagt Demuth.

Viele Jugendliche versuchen bei Ashanti in das Jugendinternat aufgenommen zu werden. „Für viele Familien ist es die Möglichkeit, ihre Kinder relativ gut unterzubringen. Hier werden sie regelmäßig zur Schule geschickt, bekommen zu essen und können trainieren“, so Demuth. Hier sei ihm besonders deutlich geworden, dass sich die Jugendlichen über den Fußball sozial nach oben spielen können. „Ein Arbeiter verdient 60 Dollar im Monat. Ein Fußballer zwischen 200 und 500 Dollar.“ Viele unterhielten damit ihre gesamte Familie, weiß Demuth.

Im Training arbeitet Demuth gegenüber seinen Engagements in Deutschland an profanen Dingen.

Kinder sehe er immer wieder barfuß auf den Straßen voller spitzer Steine spielen. „Jeder weiß, dass man barfuß nicht richtig schießen kann“, sagt Demuth. Also besteht das Training neben taktischen Grundelementen vor allem aus Schusstraining. „Die Jugendlichen konnten doch nie eine Schusshaltung entwickeln.“ Zurück in seinem Hotel „Coconut Lounge“ denkt er häufig über sein Abenteuer nach: Die Kabinen, die von gegnerischen Teams mit Weihrauch verzaubert worden wären und den überschwenglichen Reaktionen der Fans, die selbst mit St. Pauli nicht zu vergleichen seien.

Aber mit dem deutschen Fußball hat er zunächst abgeschlossen. „Bundesliga schaue ich nur noch um eine Woche verspätet, wenn es im Fernsehen läuft. Die Bundesliga ist zugunsten der englischen Premier League aus dem Programm gekippt“, sagt Demuth und düst ab in Richtung seines neuen Domizils, nach Gran Canaria. „In Deutschland geht doch alles den Bach runter“, lacht der ghanaische Erfolgscoach. Er weiß, das seine Auszeit kürzer war als die seines geliebten Vereins inmitten Hamburgs.

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