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Steinbrück fordert Fruchtbarkeit

Beim Düsseldorfer Stadttorgespräch versprüht Ministerpräsident Steinbrück Optimismus – trotz des bevorstehenden Bevölkerungsschwunds. Wissenschaftler setzen auf Einwanderung und Nachwuchs

AUS DÜSSELDORFANNIKA JOERES

Sogar Florida ging Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) über die Lippen, als seien die hohen RentnerInnen-Zahlen in NRW ebenso erwünscht und solvent wie im amerikanischen Westen. Zum Thema „Städte im demographischen Wandel – Perspektiven der Metropolregion“ lud der Regierungschef gestern in die Staatskanzlei. In 20 Jahren, so Steinbrück, werde NRW familienfreundlich sein, jede Frau zwei Kinder gebären, der Mittelstand prosperieren, Ghettos werde es nicht mehr geben und 16 von 18 Bundesligavereinen stammen von Rhein und Ruhr. Natürlich nur unter einer SPD-Regierung, fügt er grinsend hinzu.

Die Prognosen sprechen eine andere Sprache: Bis zum Jahr 2020 wird NRW knapp ein Prozent seiner EinwohnerInnen verlieren, das Ruhrgebiet sogar bis zu zehn Prozent. Das bedeutet weniger Nachfrage nach Waren, nach Wohnungen, nach Flächen, nach Bussen und Bibliotheken. Für Steinbrück bedeutet das aber vor allem: „Mehr Platz für Familien.“ Die Qualität der Städte zähle, dann könne die Metropolregion mit Paris und London mithalten.

Ulrich Pfeiffer von der Uni Düsseldorf ist sauer. „Die sinkende Geburtenrate wird betrachtet, als wenn in Ägypten Klapperstörche abgeschossen werden müssen.“ Zehn Deutsche kriegten nur noch sechs Kinder und später drei bis vier Enkel. „Die Bedingungen fürs Kinderkriegen haben sich saumäßig verschlechtert.“ Und leider, so Pfeiffer, würden AkademikerInnen auf Nachwuchs verzichten, während arme Familien mit schlechten Bildungschancen viele Kinder zeugten. „Seit 20 Jahren wissen die Städte, dass es keinen Nachschub mehr geben wird, aber sie gucken fröhlich zu“. Aus Bosheit, sagt er, wolle er nun zeigen, wie blind die Regierung immer sei. Auf der Grafik ist zu sehen, wie jedes Jahr zu viele Steuern erwartet würden. „Nur ein Beispiel für den Realitätsverlust.“ Pfeiffer schlägt vor, die Arbeitszeit zu verlängern, die Schulzeit zu verkürzen. „Das erspart uns die Einwanderung.“

Soziologe Hartmut Häußermann von der Berliner Humboldt-Uni hingegen hält nichts davon, Frauen zu mehr Kindern zu animieren. „Es gibt so viele Menschen auf der Welt, viel zu viele sogar, warum sollten wir in diesen Wettbewerb ziehen?“ Er setzt auf Einwanderung und die Qualifizierung von MigrantInnen. „Weniger Menschen können produktiver sein.“ Die Stadt der Zukunft müsse Arbeit und Kinder miteinander verbinden, wie es heute schon ausländische Familien vermögen. Häußermann hält ein Plädoyer für die multikulturelle Gesellschaft. „Nur gemischte Gesellschaften sind produktiv, da können es auch weniger sein.“

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