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Sabbern für Schill und Umarmung für alle

Hamburg aktiv: Jusos sammeln 200 genetische Fingerabdrücke für den Innensenator. Flash Mob kämpft für menschliche Wärme

Hamburgs Innensenator Ronald Schill hat bei der Bekämpfung so genannter subversiver Elemente unerwartete Unterstützung bekommen. Unter dem Motto: „Sabbern für Schill“ sammelten die Jungsozialisten vom Bezirk Mitte am Samstagmittag 200 Speichelproben in der City, die sie dem Senator zur Archivierung überreichen wollen. Kleiner Schönheitsfehler: Die Proben sind anonym.

Es ist einfach und tut nicht weh: Ein kleiner Stift mit Watte in den Mund geschoben, ein bisschen dran lutschen und ab ins Reagenzglas. Bei ihrer Aktion werden die Jusos mit allen Widersprüchlichkeiten dieser Stadt konfrontiert. „Das hat eure Partei zu vertreten, die die Augen vor den tatsächlichen Verhältnissen in der Stadt verschlossen hat – sonst hätten wir Schill heute nicht“, wettert ein offensichtlich SPD-geschädigter Schill-Sympathisant im Rentenalter. Und während ihre Mutter gern das Shoppen unterbricht, um ihren Speichel abzugeben, „damit die Verbrecher endlich alle hinter Gitter kommen“, weist die 19-jährige Tochter das Ansinnen energisch zurück. „Nein, Mama, ich hab da eine ganz andere Meinung!“

Der Innensenator hatte vor wenigen Wochen dafür plädiert, die Speichelprobe als genetischen Fingerabdruck zum Standard-Repertoire einer Erkennungsdienstlichen Behandlung zu erklären. Auch Schwarzfahrer, potenzielle Handtaschenräuber oder zufällig während einer Demonstration eingesackte Passanten gehörten genetisch erfasst.

„Das ist der totale Erfassungsstaat“, kontern die Juso-Aktivisten. „Es kann nicht angehen, dass nach dem Schema vorgegangen wird: ‚35 Jahre, ledig – Sexualstraftäter‘“, wehren sie sich gegen eine generelle Erfassung ohne berechtigten Tatverdacht. Und erinnern an die Hetzjagd auf arabische Studenten nach dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center – mit Rasterfahndung nach Schema F: „Student in Hamburg, islamischer Glaube – Terrorist!“

Das Gros der Passanten durchschaut die Juso-Aktion und findet sie „witzig“. Aber gerade die Jüngeren erkennen auch den ernsten Hintergrund. „Wenn ich meinen Namen hätte angeben müssen, hätte ich das natürlich nicht gemacht“, sagt eine junge Frau. Und ihr Begleiter fügt hinzu: „Die Idee von Schill ist saudämlich.“

Saudämlich oder witzig – irgendwo zwischen diesen beiden Kommentaren schwanken die Reaktionen der PassantInnen auch bei einer anderen Innenstadtaktion am Samstag. 50 Menschen umarmten sich spontan auf dem Rathausmarkt und gingen anschließend wieder auseinander. „Flash Mob“ nennt sich das, kommt aus den USA und bringt Menschen an einem bestimmten Treff und Zeitpunkt zusammen, die sich per Handy oder E-Mail zu einer kurzen, oft sinnfreien Aktion verabredet haben.

Der Flash Mob am Samstag auf dem Rathausmarkt sollte allerdings durchaus Tiefsinn haben und als eine Aktion „gegen Neoliberalismus“ gewertet werden, so die VeranstalterInnen. Durch die Umarmung habe man menschliche Wärme signalisiert und damit unter anderem gegen die Agenda 2010 und das Senatskonzept der Wachsenden Stadt protestiert. KAI VON APPEN/TAZ

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