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Klamauk, der über Leichen geht

Das rollende Gruselkabinett des geschäftstüchtigen Herrn von Hagens sorgt auch in Hamburg wieder für Unmut

Die „Körperwelten“-Ausstellung, jene Wanderschau geruchloser Leichen, die seit ihrem Beginn vor acht Jahren weltweit von mehr als elf Millionen Zuschauern gesehen wurde, macht immer noch von sich reden. Wie schon in München, so gibt es zurzeit auch in Hamburg, wo die Plastinate des Heidelberger Anatomieprofessors Gunther von Hagens im ehemaligen „Erotic-Art-Museum“ auf der Reeperbahn ausgestellt werden sollen, juristische Auseinandersetzungen um bestimmte Exponate.

Der Rechtsstreit mutet zunächst recht heiter an: Am 6. 8. teilte das Bezirksamt Mitte der Freien und Hansestadt Hamburg mit, dass es die Ausstellung nur unter Auflage genehmige und die Zurschaustellung einiger Exponate verbiete. „Klamauk mit Leichen werden wir nicht zulassen“, gab Behördensprecher Gerthold Roch angesichts der Leichenshow zu Protokoll.

„Zensur, Zensur!“, protestierte Gunther von Hagens’ Institut für Plastination in Heidelberg und verweist auf Gutachten verschiedener Professoren, die belegen würden, „dass Plastinate keine Leichen im Sinne des Bestattungsgesetzes“, mithin auch nicht justiziabel seien. Das Bezirksamt hatte vor allem das „Betende Skelett“ und die haltbar gemachte Torwartleiche moniert. Ersteres sei aber keine Leiche, sondern ein Skelett, und auch der echte Gefäßausguss des Herzens, den es dabei zum Himmel streckt, sei „nicht als Leichenteil justiziabel“, wie es in einer Mitteilung des Instituts heißt.

Ein wenig schwindlig wird einem schon, wenn man das liest. Eine Schachspielerleiche etwa soll mit der Pietät zu vereinbaren sein, eine betende Leiche aber nicht. Den ehemaligen Menschen, der nun zur betenden Vanitasfigur verkunstet wurde, kann man nicht mehr fragen, ob ihm das gefällt. Möglicherweise gibt es auch Scherzkekse, die als Fußball spielende Leiche weiterverwendet werden wollen. Aber man kann sich kaum vorstellen, dass Menschen, die ihren Leichnam der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen meinten, das auch getan hätten, wenn sie gewusst hätten, was dabei herauskommt.

Justiziabel ist das vermutlich nicht – aber der lustige Ton, in dem Hagens alle moralischen Bedenken abtut, die man angesichts der Ausstellung haben kann, ist doch etwas unangenehm. Andererseits ist es durchaus komisch, dass man in München einen zur rechten Seite hechtenden Torwart hatte zeigen dürfen, in Hamburg dagegen ein zur linken Seite hechtender Torwart verboten werden soll. Und „da die Würde des Pferdes nicht einklagbar ist, dürfte auch einer Forderung nicht nachzukommen sein, das Plastinat ‚Scheuendes Pferd‘ nicht zu zeigen“.

Die Ausstellung wirbt mit dem Slogan: „Die Faszination des Echten“. Manche Leute sagen auch, dass H-Milch keine echte Milch sei. Zurzeit ist die mittlerweile zweigeteilte bzw. verdoppelte Ausstellung noch in München und – zum zweiten Mal – im südkoreanischen Busan zu sehen. Während die Ausstellung in Europa regelmäßig für Skandal sorgte, gab es in Asien bislang keine größeren Bedenken.

Auf der Website der „Körperwelten“ kann man sich übrigens das Bild einer am Computer sitzenden „Leiche“ als Bildschirmschoner herunterladen. Daneben steht ein Mann, der seine abgezogene Haut wie einen Taucheranzug in der Hand hält. Das ist schon recht makaber, um nicht zu sagen pietätslos, passt aber ganz gut zum Wetter.

DETLEF KUHLBRODT

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