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„Keine Law-&-Order-Koalition“

Schwarze und grüne Innenpolitik sind vereinbar: Hamburgs grüne Innenexpertin Antje Möller im taz-Interview über Anti-Konflikt-Teams und zwei Parteien, die in verschiedenen Welten leben

ANTJE MÖLLER, 51, ist Fraktionsvize und innenpolitische Sprecherin der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft FOTO: BÜRGERSCHAFT

INTERVIEW MARCO CARINI UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Frau Möller, nach einem Dreivierteljahr schwarz-grüner Regierung in Hamburg erlauben wir uns die Frage: Wo ist die grüne Handschrift in der Innenpolitik, die im Koalitionsvertrag versprochen wurde?

Antje Möller: Dafür kann ich Ihnen ein aktuelles Beispiel geben: Wir haben uns zwischen Innenbehörde und GAL gerade auf die Einrichtung von Anti-Konflikt-Teams bei der Polizei verständigt, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart worden waren. Sie sollen Kommunikations-Teams heißen und bei Versammlungen und Demonstrationen und wahrscheinlich auch bei Fußballspielen eingesetzt werden.

Also speziell geschulte Polizisten, die deeskalierend arbeiten sollen?

Genau das.

Das Ziel lautet: Weniger Steine, weniger Scherben?

Die Teams sollen sehr früh ansetzen, mit den Beteiligten zu kommunizieren, schon weit vor bestimmten Ereignissen. Es gibt da gute Erfahrungen aus Berlin und beim G8-Gipfel in Rostock. Das übertragen wir auf Hamburg.

Bislang war die Polizeiführung gegen Anti-Konflikt-Teams. Wer hat die überzeugt?

Ich habe viel mit Innensenator Christoph Ahlhaus darüber gesprochen. Gehen Sie davon aus, dass er diese Überzeugungsarbeit geleistet hat.

Der als Hardliner bekannte CDU-Innensenator steht nach Ihrer Einschätzung mit all seinem politischen Gewicht hinter einer neuen polizeilichen Deeskalationsstrategie?

Nach meiner Einschätzung steht der Innensenator zum Koalitionsvertrag.

Wie schön. In dem Vertrag wurden noch weitere innenpolitische Maßnahmen vereinbart. Darf auch da demnächst auf Vollzug gehofft werden?

Ja. Die Arbeitsstelle „Vielfalt“ bei der Justizbehörde ist in Arbeit, da sind noch Feinplanungen erforderlich. Sie wird über Rassismus und Rechtsextremismus aufklären und für interkulturelle Angelegenheiten zuständig sein. Das wird demnächst spruchreif werden. Ähnlich ist es mit der Arbeitsstelle „Transparenz und Bürgerrechte“ in der Senatskanzlei, die für die Wahrung der Grundrechte der Bürger zuständig ist. Die Stellen dafür sind im Haushalt eingeplant, das kann im Sommer losgehen.

Und was ist mit der Härtefallkommission, die bei drohenden Abschiebungen letzte parlamentarische Instanz ist?

Vereinbart wurde, zu prüfen, ob Kirchen, Flüchtlingsorganisationen und Wohlfahrtsverbände einbezogen werden sollen. Allerdings ist die Bilanz der Kommission in ihrer jetzigen Zusammensetzung mit Abgeordneten der Bürgerschaft ausgesprochen positiv. Mehr als die Hälfte der Fälle wird zu Gunsten der von Abschiebung bedrohten Menschen entschieden. Diese hohe Quote erreicht kein anderes Bundesland. Und die Innenbehörde hält sich an das Votum der Kommission, bisher zu 100 Prozent. Das läuft in anderen Ländern ganz anders. Für Hamburg sehe ich deshalb bei diesem Punkt zurzeit nicht mehr die besondere Dringlichkeit wie noch vor neun Monaten.

Das klingt alles sowas von positiv. Dem stehen aber einige Brüskierungen der Grünen durch den Innensenator gegenüber: Online-Durchsuchungen oder Aufteilung von Straftätern nach Deutschen und Nicht-Deutschen – haben Sie das alles schon vergessen?

Natürlich nicht! Im Vordergrund steht aber für uns die Möglichkeit des politischen Einwirkens auf behördliches Handeln. In keinem der Fälle, die Sie genannt haben, gibt es eine Umsetzung. Wir halten uns an das, was wir im vorigen April vereinbart haben. Sicher gibt es manchmal Muskelspielereien, aber das ist normal in der Politik.

Die CDU ist die Partei von Recht und Ordnung, die Grünen die der Bürgerrechte. Glauben Sie wirklich, diesen Spagat ohne Zerrungen durchhalten zu können?

Das weiß ich noch nicht. Aber erstens haben wir keine Law-&-Order-Koalition. Zweitens ist es doch eher so, dass die SPD mit populistischen Forderungen versucht, die CDU rechts zu überholen. Entscheidend für mich ist, die Innenpolitik in Hamburg auch strukturell zu verändern. Das ist aber ein langer Weg.

Sie glauben tatsächlich, die Hardliner in der Union zivilisieren zu können?

CDU und Innenbehörde halten sich an den Koalitionsvertrag. Wenn wir Auseinandersetzungen über innenpolitische Themen haben, sind die stets pragmatisch und lösungsorientiert.

Wie bei der Duldung von Afghanen?

Ja. Wir haben sehr rasch ein Aufenthaltsrecht für etwa 700 afghanische Flüchtlinge erreicht, die bisher nur geduldet in Hamburg lebten. Zur Erinnerung: Der CDU-Senat wollte 2005 mit der Abschiebung tausender afghanischer Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland beginnen. Davon redet heute niemand mehr.

Das heißt: Aus Ihrer Sicht sind schwarze und grüne Innenpolitik in der Praxis vereinbar?

Ja, in Hamburg sieht es gerade so aus. Dazu braucht es klare Absprachen und den beiderseitigen Willen, sich daran zu halten. CDU und GAL wissen, dass sie innenpolitisch in zwei verschiedenen Welten leben. Wenn man das respektiert, geht das gut.

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