piwik no script img

Mehr Demokratie gibt‘s nur scheibchenweise

Die Politik findet sich progressiv und gewährt Mitbestimmung. Der Städtebund warnt vor Überlastung der Kommunen

Essen taz ■ Nur zwei Jahre nach Einführung direkt-demokratischer Verfahren auf Landesebene hat der Landtag jetzt mit Zustimmung aller Parteien das Gesetz reformiert, um basisdemokratische Mitbestimmungsverfahren zu stärken. „Es ist erfreulich, dass die offensichtliche Fehlkonstruktion der Volksinitiative nun so schnell repariert wurde“, sagt Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie.

Mit der jetzt beschlossenen Neufassung soll insbesondere das Verfahren zur Durchführung von Volksinitiativen erleichtert werden. Demnach entfällt das amtliche Zulassungsverfahren ebenso wie das Zustimmungsquorum von 3.000 Stimmen, das bisher notwendig war, um eine Initiative zu starten. Die rund 65.000 Unterschriften – 0,5 Prozent aller Stimmberechtigten in NRW – für eine Volksinitiative können von nun an frei an allen öffentlichen Orten gesammelt oder per Briefwahl abgegeben werden. Bisher mussten die Kommunen Personal und Räume für die Durchführung bereitstellen.

Innenminister Fritz Behrens (SPD) bezeichnet die Reform zwar als einen „Erfolg für eine starke und lebendige Demokratie“, doch bleiben Volksinitiativen in der Realität oft folgenlos: Das Parlament ist zwar verpflichtet, sich mit dem Thema zu befassen und die Initiatoren anzuhören, eine Entscheidung muss daraus aber nicht resultieren.

Die Gesetzesreform ist die zweite Initiative der Landesregierung zur Stärkung direkt-demokratischer Mitbestimmung innerhalb weniger Wochen. Erst im Juni hatte die Regierung mit einer Verordnung die Kommunen verpflichtet, Satzungen für die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden festzulegen – die Mitbestimmung soll so auch auf kommunaler Ebene gefördert werden.

So ganz traut die Politik dem Volk aber noch nicht. Die Gemeindeordnung sieht deshalb einen Negativkatalog vor, der die zulässigen Themen direkter Mitbestimmung einschränkt. „Umfangreiche Themenverbote und die hohe Abstimmungshürde machen Bürgerbegehren oft zum zahnlosen Tiger“, sagt Schily. Dennoch geht die direkte Demokratie Roland Schäfer, Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW, zu weit. Der Chef des kommunalen Spitzenverbands argumentiert, die direkte Mitbestimmung führe zu einer zu großen bürokratischen Belastung der Kommunen. „Die jüngst erlassene Verordnung der Landesregierung geht dazu eindeutig in die falsche Richtung.“

ULLA JASPER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen