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JÜRGEN KLINSMANN IST KEIN FACHMANN, SONDERN EIN SELBSTDARSTELLEREs gibt nur ein’ Rudi. Den Zweiten

Endlich weißer Rauch! Bundestrainer werden nicht Guus Hiddink, Winnie Schäfer, Matthäus oder Gutendorf. Nein, Jürgen Klinsmann soll Rudi Völler beerben, gemeinsam mit Holger Osieck als Trainer und Teammanager Oliver Bierhoff.

Der Stuttgarter Bäckerssohn Klinsmann (39) ist der blonde Wiedergänger von Rudi Völler: Mittelstürmer, Toremacher, Weltmeister, Sympathieträger, jedermanns Darling. Einer, der branchenübliche Edelkarossen in der Garage hat, aber in seinem alten Käfer vorfährt. Und der, so weiß man in der Szene, ein ziemlich rabiater Kotzbrocken ist, sobald die Kameras aus sind. Rabiat gab er sich auch gegenüber der Altmännerriege DFB, seinem kommenden Brötchen- respektive Bagel- und Brezlzahler. „Das Bild, das der DFB abgibt, ist einfach jämmerlich“; Lösung: „den ganzen Laden auseinander nehmen“. Das war vergangene Woche. Jetzt ist er das Rettungsboot der Fußball-„Titanic“.

Sonnyboy Klinsmann hat noch nie eine Mannschaft trainiert. Gleichwohl hat er nach seiner stolzen internationalen Karriere (108 Spiele, 47 Tore) den DFB-Schnelllehrgang für verdiente Altstars absolviert („Trainerlizenz light“), mit der verdienten Rasenkräften Bankfitness blitztestiert wird. Gleichsam zeigt die Klinsi-Wahl, dass nicht Erfahrung, Fachkunde und Innovationsmut zählen, sondern öffentliches Ansehen. Es geht nicht darum, beim Mega-Event WM 2006 den Titel zu holen, sondern die Hoffnung darauf zwei Jahre lang bis zum (frühen?) Ausscheiden hell lodern zu lassen. Insofern ist die Verlegenheitslösung Klinsmann strategisch klug, zumal sie Loddamadäus verhindert.

Fantechnisch wichtig ist die stadiongesangstaugliche Silbenzahl: „Es gibt nur ein Jürgen Klinsmann“. Auch der meinungsbildende FC Bayern (Kahn: „sehr intelligenter Mann“, Hoeneß: „sehr mutige Lösung“) hat schon seinen Segen gegeben. Dennoch führen in ersten Online-Umfragen die Skeptiker: 40 Prozent sagen: „Nein, das geht schief“, kaum ein Drittel findet die Idee richtig gut. So ist die Stimmung im Land, selbst mit dem Strahlemann Klinsmann. BERND MÜLLENDER

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