OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Es ist heute nicht mehr so leicht vorstellbar – doch tatsächlich stand kaum ein anderer Filmregisseur in den Fünfzigern derart im Mittelpunkt öffentlichen Interesses wie Otto Preminger. Dem Publikum war er als der „Otto-krat“ unter den Regisseuren bekannt, ein unumschränkter Diktator auf dem Set, der die Schauspieler mit seiner Genauigkeit und gefürchteten cholerischen Ausbrüchen in Angst und Schrecken versetzte. Seine Werke „The Moon Is Blue“ (1953) und „The Man with the Golden Arm“ (1955) waren die ersten Filme, die aus moralischen Gründen ohne Freigabezertifikat der Production Code Administration (der Selbstzensurbehörde der US-Filmindustrie) blieben. Zudem war der Regisseur stets auf der Höhe der Zeit: Er begrüßte technische Neuerungen, verfilmte aktuelle Bestseller, und er ließ neue Moden und gesellschaftspolitische Veränderungen in seine Filme einfließen. Vor allem aber war Preminger für die Vertreter einer „politique des auteurs“ der Säulenheilige schlechthin. Seine Mise en scène, die Kunst, in langen Einstellungen mit unaufdringlichen, aber eleganten Kamerafahrten Figuren zueinander in Beziehung zu setzen, galt den Regisseuren der Nouvelle Vague als Maß aller Dinge. Wie all dies zusammenpasst, lässt sich an „Bonjour Tristesse“ nachvollziehen, in dem Jean Seberg eine junge Hedonistin verkörpert, die ihre Interessen (Sonne, Meer und Flirts an der Côte d’Azur) von der neuen Liebe ihres Vaters beeinträchtigt sieht, die ihr statt dessen Büffeln für ein Examen verordnen möchte: ein verfilmter Bestseller von Françoise Sagan von außergewöhnlicher Trivialität, aber ein großer Triumph der Form über den Inhalt, der François Truffaut zu einem seiner meistzitierten Aussprüche verleitete: „Die Arbeit des Regisseurs besteht darin, hübsche Frauen hübsche Dinge machen zu lassen.“
Eigentlich war Edward Wood Jr. längst vergessen – bis einige Spaßvögel in den Siebzigerjahren sein kurioses Sciencefiction-Werk „Plan 9 from Outer Space“ zum schlechtesten Film aller Zeiten kürten. Seither genießt der talentfreie Regisseur Kultruhm, und auch Tim Burton befleißigte sich, mit Johnny Depp als „Ed Wood“ eine tragikomische Hommage an den Filmnarren zu schaffen. In Burtons Film erscheinen Wood und der mittlerweile drogensüchtige Dracula-Darsteller Bela Lugosi als Vertreter eines fantasievollen Autorenfilms, die trotz aller Rückschläge ihre unmöglichen Mini-Epen um Außerirdische, Riesenkraken und Transvestiten mit großer Würde und ungebrochenem Enthusiasmus auf die Leinwand bringen.
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Mit „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“ (1975), einer Parodie auf die klassische russische Literatur, nahm Woody Allen Abschied vom reinen Klamauk: Mit Diane Keaton streitet und philosophiert er über Liebe und Tod, vermurkste Beziehungen, Minderwertigkeitskomplexe und Größenwahn. Nebenbei erfährt man auch noch, warum Woody ein so fantastischer Liebhaber ist: „Ich übe viel, wenn ich alleine bin.“ LARS PENNING
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