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der russische kino-club zeigt einen giftschrank-klassiker: Alexander Askoldows „die kommissarin“Prägnante Montagen

Wer dieses Wiegenlied einmal gehört hat, kann es nie wieder vergessen. Am Ende der eher gemurmelten als gesungenen Strophen hält die Stimme eine kleine Ewigkeit den Ton und reißt ihn schließlich tschirpend in die Höhe. Doch darin ist kein Juchzen und keine Fröhlichkeit. Die Melodie schließt sich nicht, jede neue Strophe bedarf einer Anstrengung und könnte die letzte sein. An Amseln nach dem Regen muss man denken oder den gespenstischen Vortrag japanischer Opern.

Die Kommissarin aber singt auf Russisch. Sie hat einen Sohn geboren in der Schlafkammer einer armen jüdischen Kesselflickerfamilie. Die Rote Armee musste sie zurücklassen, die Weißen stehen vor den Toren der Stadt. In das Wiegenlied mischt sich Grollen von Artillerie. „Eine Macht ist weg - die andere noch nicht da. Das ist die beste Zeit für die Menschen“, sagt Jefim, der Kesselschmied. Sie aber ahnt, dass für Menschlichkeit die Zeit noch lange nicht reif ist und zieht dem Regiment hinterher in den Krieg, den die Revolution zu führen hat.

Weder auf tröstende Heimseligkeit, noch auf revolutionäres Pathos möchte der Film einstimmen und unter Geburtsschmerzen entäußert sich seine tiefe Resignation in schrecklichen Visionen der Kommissarin. Der Krieg? Ein Sensenbataillon in der Wüste. Die Revolution? Eine panische Flucht gescheuchter Pferdehorden. Das Schicksal der jüdischen Familie? Ein Gang durch ein hölzernes Turmtor. Die Liebe? Eine verkrampfte Umklammerung.

Regisseur Alexander Askoldow durchbricht seine gewaltvollen, eisensteinschen Allegorien mit Szenen bescheidener Zufriedenheit. Einen Sonnenstrahl auf der Schwelle, einen Napf Wasser ins Gesicht, ein Stück Brot vom Vortag und seine Werkzeugkiste braucht Jefim, um glücklich zu sein. Doch schon in den Kinderspielen bricht das Grauen durch. „Deserteur, komm aus deinem Versteck, wir tun dir nichts“, locken die Brüder, um ihre Schwester anschließend mit Holzgewehren zu erschießen. Vom Schemel aus schaut die Kommissarin im Blümchenkleid dem Treiben zu. Wenn sie Uniform trägt, stellt auch sie Deserteure vor das Standesgericht.

Woher ihre Unbarmherzigkeit rührt, will Askoldow nicht psychologisch erklären. Dass das große gesellschaftliche Projekt sich stets im Kleinen beweisen muss, ist sein Credo. Der tatsächliche Umgang mit Ohnmächtigen, mit Minderheiten enttarnt die Formeln von Menschenrecht und Brüderlichkeit zum zynischen Lippenbekenntnis. Das Schicksal einer jüdische Familie den hehren Zielen der kommunistischen Idee zur Bewährungsprobe auszusetzen, war 1967 eine ungeheuerliche Provokation, nachdem die offizielle Parteilinie sich während des Sechs-Tage-Krieges auf Hetze gegen Israel eingeschossen hatte.

Dass Askoldow rückblickend aber auch die Gründung der Sowjetunion als unheroische und entmenschte Quälerei darstellt, konnte die Zensur nicht übersehen. Kaum vollendet, wurde sein Debüt im Giftschrank verschlossen. Erst 1987 wagt der mit zeitweilig mit Berufsverbot belegte Regisseur nach dem Film zu fragen. Die versiegelten Kopiendosen werden geöffnet und Sequenzen, die Askoldows Frau 20 Jahre zuvor versteckt hatte, wieder eingefügt. Ebenso eine Komposition, mit der Alfred Schnittke sich erstmalig an Filmmusik herangewagt hatte. Askoldows thematische Oppositionen - Familie/Volk, Frieden/Krieg, inneres Bedürfnis/äußere Notwendigkeit - wirken heute arg didaktisch. Die Prägnanz der Montagen aber hat Bestand. Urs Richter

Fr, 19 Uhr + Sa, 17 Uhr, Metropolis

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