: Alles stumpf, Pussycat
Die Krallen eingezogen: Halle Berry gibt die Katzenfrau in „Catwoman“ und tritt gegen Sharon Stone an. Ein Kampf der Stargenerationen und Weiblichkeitsmodelle – leider nur in der Whiskasvariante
VON ANKE LEWEKE
Warum tun sie mir das an? Warum können sie die Heldinnen meiner Kindheit nicht einfach in ihrer ganzen Kraft und Pracht weiter strahlen lassen? Nehmen wir zum Beispiel „Drei Engel für Charlie“, die in den Kinofassungen zur bloßen Clownsnummer degeneriert sind. Zugegeben, Cameron Diaz, Lucy Liu und Drew Barrymoore können kickboxen, tragen dicke Wummen und sausen auf schnellen Mopeds davon. Doch auf jede coole Aktion folgt eine Lachnummer, mit der die Kämpferinnen entschärft und zu tapsigen Teenies werden. Dabei waren die actionerprobten Original-Engel für uns Mädchen der Siebzigerjahre prima Identikationsfiguren. Schließlich wollte man nicht die ganze Zeit mit der aufopferungsbereiten Paula aus „Daktari“ im Dschungel hocken und wilde Tiere pflegen.
Mit fast schon heimtückischer Freude bemächtigt sich das Mainstream-Kino seit einiger Zeit der kämpfenden Ladys, verballhornt sie wie die drei Engel, lässt sie wie Uma Thurman im „Mit Schirm, Charme und Melone“-Verschnitt nur noch schön aussehen oder bretzelt sie wie jetzt in „Catwoman“ auf das Niveau eines Kindermaskenballs herunter.
Das war in der Pubertät noch anders. Damals konnte man mit Bob Kanes Comic-Heldin eine zweite Haut überstreifen, die Krallen wetzen und auf Selbsterfahrungstripp gehen. Im Zentrum stand dabei das ungehemmte Ausleben weiblicher Aggressivität. In der Nacht, während alles schlief, stolzierte die Superheldin als Königin der Stadt über die Dächer und peitschte auf die Bösewichter dieser Welt ein. Catwoman war alles zugleich, geheimnisvolle Frau und Rächerin der Enterbten, Femme fatale und Gesetzeshüterin, Objekt und Subjekt der Begierde.
Auch in Pitofs 90 Millionen schwerer Megaproduktion sieht das Katzenwesen jetzt nach dem Rechten. Catwoman entdeckt, dass das neueste Anti-Aging-Produkt eines Kosmetikkonzerns üble Nachwirkungen hat und will die Vermarktung verhindern. Mit brillantenbesetzten Krallen, enganliegendem Outfit und Leder-BH schreitet Halle Berry als Titelheldin zur Tat, doch mag man ihr nur lustlos folgen. Vielleicht weil die Fetischzeichen nur noch dekorative Funktionen haben und den Verweis auf eine abgründige Weiblichkeit verweigern. Wenn Berry den Kopf kokett zur Seite legt, den Arm in die Hüften stemmt und beim katzenhaften Kriechen den Po herausstreckt, wird die Superheldin zur Pussycat. Verschämt künden drei Kratzer auf Benjamin Bratts Rücken vom Sex mit dem freundlichen Polizisten.
Ohnehin bleibt nicht viel vom Katzenhaften in diesem routiniert dahindigitalisierten Film. Halle Berry leckt Thunfischdosen aus, verschlingt beim Rendezvous in Sekundenschnelle Sushis und beschmiert sich in einer recht abstoßenden Szene mit Katzenlockstoff. Bei solchen Unappetitlichkeiten bleiben Eros und Mysterium auf der Strecke.
Im Umgang mit ihrer Gegenspielerin Laurel, der Schönheitskönigin und skrupellosen Beauty-Konzernchefin (Sharon Stone) verfährt „Catwoman“ ähnlich unsensibel – bis hin zur Bösartigkeit. Zwar kokettiert Stones Rolle offen autobiografisch mit der Tragik eines Glamourwesens, dessen in die Jahre gekommenes Gesicht vom Markt auf den Müll geworfen wird. Und doch stutzt der Film auch dieser Frauenfigur die Krallen. Wie die personifizierte Verbitterung läuft Stone durchs Bild, abgemagerte Hysterikerin und Opfer des Schönheitswahns. Was ein hübscher Kampf der Stargenerationen und Weiblichkeitsmodelle hätte werden können, bleibt armseliger Zickenterror.
Weshalb nur müssen die popkulturellen Kämpferinnen so unsouverän durchs Bild stolzieren? Warum bietet Catwoman lediglich die Whiskasvariante einer abgründigen Superheldin? So bleibt nur Uma, die unvergleichliche Thurman. In den gelben Turnschuhen, mit denen sie sich durch Tarantinos „Kill Bill“ boxt, kickt, schießt und sticht, steckt hundertmal mehr weibliche Coolness als im aufreizenden Lederourfit des neuen Leinwandkätzchens.
„Catwoman“. Regie: Pitof. Mit Halle Berry, Sharon Stone u. a., USA 2004, 111 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen