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Bayreuth, wie es singt und verschweigt

NS-Verstrickungen: Jörg Skriebeleit und Albrecht Balds Untersuchung „Wieland Wagner und Bodo Lafferentz im Institut für physikalische Forschung“

Manche Verstrickungen kommen erst spät ans Licht. Vor ein paar Jahren verdichteten sich die Hinweise, dass das KZ Flossenbürg eine seiner 92 Außenstellen in Bayreuth unterhielt. Nachforschungen sorgten dafür, dass der Gemeinderat der Stadt ein Gutachten in Auftrag gab: ob es einen Anlass für eine Gedenktafel gäbe, und wenn ja, welche Hinweise auf Nazi-Verbrechen die Inschrift enthalten müsse. Jörg Skriebeleit, Leiter der Gedenkstätte in Flossenbürg, wurde mit der Recherche beauftragt. Seine Ergebnisse legte er nun mit dem Geschichtslehrer Albrecht Bald in Buchform vor. Der Titel: „Wieland Wagner und Bodo Lafferentz im Institut für physikalische Forschung“.

Der schnörkellose, strikt sachlich gehaltene Text dokumentiert: Der umtriebige Funktionär Bodo Lafferentz, VW-Direktor, Leiter des Deutsche-Arbeitsfront-Programms „Kraft durch Freude“, Träger des SS-Totenkopfrings und Schwiegersohn von Winifred Wagner, war in den frühen 40er-Jahren der starke Mann des Familienunternehmens Wagner-Festspiele. Nebenbei betrieb er von Ende 1943 an in einer ehemaligen Zwirnerei den Aufbau jenes ominösen Instituts für physikalische Forschung: Eine spezielle Rüstungsschmiede, in der an neuen Zielerkennungsverfahren für ferngelenkte Bomben geforscht wurde. Man zog qualifizierte Häftlinge aus verschiedenen Lagern als preiswerte Arbeitskräfte zusammen, insbesondere aus den KZs Neuengamme, Groß-Rosen und Dachau. Das war im System der Konzentrationslager ziemlich einmalig und wohl nur aufgrund bester Beziehungen möglich.

Die Studie von Bald und Skriebeleit richtet das Augenmerk auf die Opfer. Nachgewiesen wurde, dass einige Todesfälle direkt mit dem KZ-Außenlager in Zusammenhang stehen. Ob Wieland Wagner, der 1946 angeblich ohne alle Vorbelastung als Parsifal das Unternehmen „Neubayreuth“ reetablierte, im Außenlager der Stellvertreter von Bodo Lafferentz war, konnte Skriebeleit dagegen nicht klären. Er geht aber von einer untergeordneten Funktion des auf seine künstlerische Mission versessenen Enkels des Festspielgründers aus.

Seine Informationen stammen aus diversen Quellen, darunter auch US-Archive. Die Firma auf dem Grünen Hügel aber, die wohl auch noch über Unterlagen verfügt, zeigte keinerlei Bereitschaft zur Kooperation. Andere Firmen setzen zur Offenlegung ihrer Verstrickung längst auf unabhängige Historiker. Nicht so Wagner & Co: „Das Entlastungs-Narrativ zieht sich auch bei den Nachgeborenen durch“, schreibt Skriebeleit dazu. „Es ist ja schon auffällig, dass es immer nur den Forschern von außen gelingt, der Wahrheit ein Stück näher zu kommen und die Firnis etwas aufzubrechen.“

Seine Arbeit zeigt exemplarisch die atemberaubende Verschränkung von Vorgängen, die wie durch Welten getrennt erschienen: Mitten im Krieg erstrahlte in der Idylle von Bayreuth ein kunstheroisches „Walhall“, tief unter aber hausten die Nibelungen, die mit roher Gewalt zur Zwangsarbeit getrieben wurden. Wie im „Ring des Nibelungen“ hängen diese beiden Sphären unsichtbar zusammen.

FRIEDER REININGHAUS

Albrecht Bald/Jörg Skriebeleit: „Die Außenstelle Bayreuth des KZ Flossenbürg – Wieland Wagner und Bodo Lafferentz im Institut für physikalische Forschung‘“. Verlag C. & C. Rabenstein, 172 S., 24,80 €

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