: Vegetarier sparen kostbares Wasser
Der wachsende Hunger nach Steaks und Hühnerbeinen gefährdet die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser, warnen die Experten auf der Weltwasserwoche in Stockholm. Sie fordern eine Trendwende. Aber auch dann bleibt ein Problem: Korruption
AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF
Die steigende Fleischnachfrage verschärft den Wassermangel. Das erklärten Experten auf der internationalen Weltwasserkonferenz in Stockholm, die gestern zu Ende ging. Eine Woche lang haben Fachleute aus Industrie und Wasserwirtschaft, Regierungsvertreter sowie Angehörige zwischenstaatlicher Organisationen und Verbände diskutiert: Wie können die Vereinten Nationen ihr Jahrtausendziel erreichen und bis 2015 die Zahl unterernährter Menschen weltweit halbieren?
Schon heute litten weltweit 840 Millionen Menschen an Unterernährung – und diese Zahl werde dramatisch zunehmen. Da aber schon in vielen Teilen der Erde nicht genug Wasser zur Verfügung stehe, müsste Nahrung künftig nachhaltiger produziert werden. In der globalen Lebensmittelproduktion verschwinde derzeit 70 Prozent allen Trinkwassers. Vor allem die Vorliebe für Fleisch- und Milchprodukte werde dabei zum Problem. Denn die Fleischproduktion schluckt zwischen fünf- bis achtmal mehr des kostbaren Nasses als die von Getreide. Deshalb muss, so forderte Professor Jan Lundqvist vom Internationalen Wasserinstitut Stockholms, eine „Trendwende – und zwar bald“. Es gebe keine Möglichkeit die Weltbevölkerung auch nur ansatzweise mit der Kost zu ernähren, welche in Westeuropa oder Nordamerika gängig sei.
Die Ernährungsgewohnheiten, mangelndes Recycling, unangepasste Sanitärinfrastruktur und ineffektive oder technisch verfehlte Bewässerungssysteme sind nur einige Puzzleteile. Der weltweiten Wassermangel hat auch noch andere Ursachen. Aufgrund der explosionsartigen Flucht aus ländlichen Gebieten in die Ballungszentren wird damit gerechnet, dass sich die Zahl von StadtbewohnerInnen von derzeit 3 Milliarden bis 2030 auf 5 Milliarden erhöht. Das wären 60 Prozent der Weltbevölkerung. Die Mehrheit wird in Slumgebieten ohne ausreichende Wasser- und Abwasserversorgung landen. Schon jetzt leben dort laut Anna Kajumulo Tibaijuka, Chefin des UN-Habitat-Programms mindestens 1 Milliarde Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser.
Was die Trinkwasserversorgung für diese Menschen angeht, ist die Korruption ein wachsendes Problem. Mit einem Mangel lässt sich Geld verdienen, erklärt Martha Karua. Sie ist seit einem Jahr Wasser- und Entwicklungsministerin Kenias. Die Verwaltung Nairobis habe den Bau von Wasserleitungen in Armenviertel beispielsweise vernachlässigt. Das werde nun – teilweise von den gleichen „korrupten öffentlichen Beamten und Wasserhändlern“ ausgenutzt. Die Ärmsten in der Stadt müssten so 20 bis 30 Prozent mehr für meist qualitativ auch noch schlechteres Wasser zahlen als die Reichen. Karua: „Bei uns haben die Reichen Zugang zu Wasser, die Armen nicht.“ Mit der Ressource Wasser selbst habe das aber nichts zu tun. „Es ist genügend Wasser vorhanden, die politische Steuerung ist das Problem.“ Mehr als die Hälfte des Wassers „verdunste“ in dunklen Kanälen, um Mangel zu erzeugen.
Die Weltbank arbeitet mit einem Antikorruptionsprogramm und empfiehlt bei einem Versagen des öffentlichen Sektors private Lösungen. „Monopol schafft Korruption“, betont Hans Jörg Elshorst von Transparency International: „Dabei spielt es keine Rolle, ob es öffentlich oder privat ist.“
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