: Im Herzen der Geschichten
Sinkt nicht, sondern liest: Johannes Henn startet heute eine Literaturreihe auf dem Theaterschiff am Tiefer
Johannes Henn ist Vorleser. Und er ist Autodidakt. Er liest Geschichten manchmal so, als würde ihm das, was er vorliest, gerade einfallen. Was nicht das schlechteste ist in diesem Job. Heute startet auf dem Theaterschiff eine Reihe, in der er mit musikalischen, literarischen oder schauspielernden Gästen aus Büchern vorliest.
„Sympathy for the Devil“ heißt der erste Abend der Reihe. Blasphemie? Nein, aber wenn man sieht, wie selten die Pläne des gehörnten Kollegen aufgehen, könne man schon etwas mitfühlend werden. Kein Mitleid braucht man jedoch mit den Gästen zu haben: „Mich interessiert, was zwischen denen und mir passiert“, sagt Henn, der unterschiedliche Literatur noch einmal ein wenig anders vorstellen will. Zu ‚denen‘ zählen der Impro-Gitarrist Peter Apel oder auch der Schauspieler Peter Kaempfe. Heute Abend ist Erik Roßbander der Gast.
Nein, eigentlich sei das Wasser „kein bestimmendes Thema“, sagt Henn, während er Surf-Zubehör auf dem Tisch im Zentrum der Bühne platziert. Dabei möchten Titel wie „Die Legende vom Ozeanpianisten“, „Bar auf dem Meeresgrund“ oder „Schiffbruch“ genauso darauf hindeuten wie der Ort. „Man kriegt viel mehr aus den Texten raus, wenn man sie laut liest.“
Klar. Aber da ist noch mehr. Das Sprechen ist, wenn man so will, tief in Henns Biografie eingeschrieben. Großvater war beim Hörspiel von Radio Bremen für die Besetzung zuständig, der Vater war Sprecher beim Rundfunk. Ein vorgezeichneter Lebensweg, scheint’s.
Und dennoch nicht arm an Umleitungen: „In den 80er-Jahren habe ich in Italien gelebt“, erzählt Henn. „Mit einem Freund wollte ich eine Kulturkneipe machen. Aber das ging nicht lange gut.“ Als Techniker beim „Theater aus Bremen“ meldete sich wieder der alte Traum. Henn, mittlerweile gelernter Goldschmied und Tischler, professionalisierte seine Stimme. Die Liebe zu den Texten, in denen er mitunter beinahe verschwindet, ließ er sich dabei nicht nehmen.
So ist die nun beginnende Reihe auch eine Ankunft. Mal im Experiment, wie mit dem Elektroakustiker Jörn Schipper, mal in gewohnter Zweisamkeit mit Pianist Marc Lüdicke wird Henn zwischen Poe und Barrico Texte entdecken. „Einen Bildungsauftrag habe ich nicht“, sagt er, „aber wenn das Publikum durch mich einen neuen Autor kennen lernt, freut mich das.“ Tim Schomaker
„Sympathy for the Devil“, heute, 19. September, 20 Uhr, Theaterschiff am Tiefer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen