: Tragischer Zufall oder Anschlag?
89 Tote beim fast zeitgleichen Absturz zweier Flugzeuge in Russland. Terroranschläge nicht ausgeschlossen. Geheimdienst hält auch technisches oder menschliches Versagen für möglich
MOSKAU taz ■ Bei dem Absturz zweier Passagierflugzeuge kamen am Dienstagabend in Russland 89 Menschen ums Leben. Die beiden Verkehrsmaschinen waren im Abstand von vierzig Minuten vom Moskauer Flughafen Domodedowo gestartet. Fast zeitgleich gegen 23 Uhr verschwanden die Flugzeuge von den Radarschirmen. Die Tupolew-134 der Fluggesellschaft Wolga Aviaexpress war mit 43 Passagieren an Bord auf dem Weg nach Wolgograd, als sie in der Nähe der 150 Kilometer südlich von Moskau gelegenen Stadt Tula abstürzte. Das Flugzeug der zweitgrößten russischen Fluggesellschaft Sibir vom Typ Tupolew-154 steuerte mit 46 Reisenden an Bord den Ferienort Sotschi am Schwarzen Meer an. Das Wrack wurde bei dem Ort Gluboki im Gebiet Rostow am Don, 1.000 Kilometer südwestlich von Moskau gefunden.
Über die Ursachen der Katastrophe gab es gestern noch keine Klarheit. Der russische Geheimdienst FSB behandelte Vermutungen, wonach es sich um terroristische Anschläge gehandelt haben könnte, mit äußerster Vorsicht. Die Ermittlungen verliefen in verschiedene Richtungen. Technische Fehler, menschliches Versagen, schwierige Wetterbedingungen und schlechtes Flugbenzin könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben, sagte der Chef der Öffentlichkeitsabteilung des FSB.
Die Fluggesellschaft Sibir bestätigte unterdessen, dass das russische Luftfahrtkontrollzentrum eine Entführungsmeldung erhalten habe: „Kurz bevor der Kontakt mit dem Flugzeug abbrach und es vom Radarschirm verschwand, wurde die Nachricht gesendet.“ Ob es sich dabei um ein Hijack-Signal oder einen gewöhnlichen SOS-Notruf gehandelt habe, war unter Experten gestern noch umstritten. Oleg Jermolow von der Luftfahrtbehörde hielt es grundsätzlich für technisch nicht nachprüfbar, ob das Signal aus technischen oder anderen Gründen ausgelöst worden war. Nach offiziellen Angaben hat die Crew der anderen Maschine kein Notsignal gesendet. Augenzeugen am Boden wollen mehrere Explosionen gehört haben.
Die Nachrichtenagentur Interfax zitierte einen anonymen russischen Luftfahrtexperten, der es für äußerst unwahrscheinlich hält, dass zwei Flugzeuge zur gleichen Zeit vom selben Flughafen in eine Havarie geraten können.
Terroristische Anschläge sind in Russland nicht ungewöhnlich. Radikale Islamisten hatten im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien mehrfach mit Anschlägen gedroht. Achmed Sakajew, ein Vertrauter des vertriebenen tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow, sagte dem Radio Sender Echo Moskwy: „Selbst wenn es ein Terrorakt war, haben der tschetschenische Widerstand und vor allem Maschadow damit nichts zu tun.“
KLAUS-HELGE DONATH
brennpunkt SEITE 3
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