: Angebot, Rahmen und Sammler
Zum Kunstherbst 04 steht verhaltener Optimismus auf dem Programm. Kunst wird produziert und konsumiert. Aber wo sind die Sammler?
von MARCUS WOELLER
Über das Angebot an zeitgenössischer Kunst kann man sich in Berlin nicht beklagen. Natürlich – über Qualität mag man sich streiten, sollte man auch. Aber die Rahmenbedingungen für den ausgelassenen Kunstkonsum sind unbestreitbar gut. Allein die vier Galeriequartiere in Mitte allmonatlich abzugrasen, ist kaum zu schaffen. Schließlich gibt es auch noch die Kunstvereine und andere Non-Profit-Organisationen, die sich der Förderung und Ausstellung der schönen Künste verschrieben haben. Und wenn die Lähmung durch die MoMA-Show im September ein Ende hat, kann man vielleicht auch wieder auf die Museen hoffen.
Woran es in Berlin allerdings hapert, ist noch immer der Sammlergeist. Das Potenzial an Kunstproduzenten würde sich ja gerne einem angemessenen Potenzial an ambitionierten und finanzkräftigen Sammlern gegenübersehen. Die können leider nicht aus dem Hut gezaubert werden, auch nicht durch die Stadtmarketing-Gesellschaft Partner für Berlin. Doch blickt diese hoffnungsfroh in die Zukunft und hat in ihrem Berliner Jahreskalendarium seit 1997 den September für den „Kunstherbst“ reserviert. In diesem Jahr steht der „Kunstherbst“ unter dem Motto „Kunst und Markt“ und schließt damit an die Themen der letzten beiden Jahre an, die sich den Sammlern und Sammlungen widmeten sowie den Berliner Künstlern und Künstlerinnen. Der „Kunstherbst“ will diese drei Pfeiler des Standortfaktors Kunst, Produzenten, Vermittler und Käufer, miteinander vernetzen – und der Ausstellungsbesucher soll auch auf seine Kosten kommen.
Im Mittelpunkt dieser Kommunikationsplattform für die zeitgenössische bildende Kunst in Berlin steht die Kunstmesse Art Forum, die vom 17. bis 22. September in den denkmalgeschützten Tageslichthallen 18–20 des Messegeländes an der Masurenallee stattfindet (siehe nächste Seite). Seit dem letzten Jahr hat sich die Messe verschlankt und versucht sich als kleine aber feine Marke gegenüber den bedeutenderen Verkaufsschauen in Basel und London zu behaupten. Neu in diesem Jahr ist eine begleitende Sonderausstellung: Der frühere Direktor der Hamburger Deichtorhallen, Zdenek Felix, kuratiert „Made in Berlin“ auf den 1.100 Quadratmetern der angrenzenden Halle 11.2. Hier haben 42 Künstler der teilnehmenden Galerien die Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren.
Am 23. September, also dann, wenn die Galeriemitarbeiter die Messe hinter sich und möglichst viele rote Punkte als Zeichen guter Verkäufe von den Stellwänden geknibbelt haben, dürfte es noch einmal spannend werden. Das Institut für Kultur und Medienmanagement (IKM), das gerade von der Hochschule für Musik Hanns Eisler an die FU Berlin wechselt, legt in der Mercedes-Welt am Salzufer die erste repräsentative Studie für den Berliner Kunstmarkt vor. Mit einer quantitativen Befragung von über 300 Galerien und Interviews mit Auktionshäusern, Sammlern und Messebesuchern hofft das IKM – seit einigen Jahren Partner bei der Ausrichtung des Kunstherbsts – Aussagen über Marktpotenziale und Wirtschaftschancen des Kunststandorts Berlin machen zu können. Denn Berlin wird als internationaler Treffpunkt und Umschlagplatz zeitgenössischer Kunst nicht nur an seiner künstlerischen Innovationsfähigkeit gemessen werden, sondern insbesondere auch an seinem ökonomischen Erfolg. Da erscheint der Zeitpunkt der Präsentation der Studie einen Tag nach dem Schließen des Art Forums taktisch gut gewählt (mehr dazu auf der vierten Seite der Beilage zum Kunstherbst).
Ein Land, in dem der Kunsthandel floriert und wo es die zugehörige hochkarätige Sammlerszene gibt, ist die Schweiz. Mit der wichtigsten Kunstmesse der Welt, der Art Basel, kann Berlin nicht konkurrieren. Einen Einblick in die offensichtlich gut funktionierenden Strukturen der schweizerischen Kunstlandschaft kann möglicherweise eine Diskussionsveranstaltung geben, zu der die Botschaft der Eidgenossenschaft am 8. September einlädt. Hier wird der Züricher Galerist und Kunstkommissar der Art Basel, Victor Gisler, mit dem Händler-Kollegen Bob van Orsouw diskutieren, der Kunstkritikerin Sibylle Omlin, dem Kulturfunktionär Andrea Raschèr sowie dem Künstler John A. Armleder.
Eine weitere Diskussionsrunde tagt am 14. September im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zum Thema „Kunst Macht Märkte“. Wie Ausstellungen das Marktgeschehen beeinflussen und nachhaltig bestimmen können, soll die Grundlage des Gesprächs sein. So haben die legendären Ausstellungen „Zeitgeist“ in Berlin und „Sensations“ in London Trends für den globalen Kunstmarkt gesetzt. Wie die Mechanismen der Kunstszene funktionieren und ob man sie wirtschaftlich nutzbar machen kann, darüber tauscht sich der Direktor des IKM, Klaus Siebenhaar, unter anderem mit dem Leiter des Frankfurter Kunstvereins Nicolaus Schafhausen aus sowie dem Sammler Christian Boros, dem Künstler Franz Ackermann und dem Münchner Chef des Hauses der Kunst, Chris Dercon.
Wer lieber seinen Augen als seinen Ohren trauen möchte, der sei auf die Abteilung Parcours des Kunstherbstes verwiesen. Neben Führungen durch die Sammlungen des Bundestages und von Wirtschaftsunternehmen öffnen drei Privatsammler nach Anmeldung ihre Kollektionen für den Besuch. Am 4. September macht der Rechtsanwalt Peter Raue den Anfang und zeigt seine Sammlung. Seit dreißig Jahren sammelt er Kunst, darunter sind Werke von Joseph Beuys, Andy Warhol und Rebecca Horn. Heidi und Karlheinz Knauthe sammeln junge deutsche Kunst, aber auch den abstrakten europäischen Expressionismus des Informel. Am 25. September führen sie durch ihre Privaträume. Der Musikproduzent Karl Ulrich Walterbach nimmt hauptsächlich Arbeiten ostdeutscher Künstler in seine Sammlung auf, bei denen er provokante Positionen gegenüber tradierten Formen und Werten vermutet. Den Besuchern zeigt er am 26. September Werke von Via Lewandowsky, Hans Scheuerecker und Carsten Nicolai.
Den „Kunstherbst Berlin 04“ begleitet ein 70-seitiges Programmheft, das über alle Veranstaltungen informiert. Zusätzlich sind im Kalenderteil laufende Veranstaltungen und Ausstellungen in einer Übersicht dargestellt. Man kann sich also den September freihalten für die Kunst, so wie man sich den Februar für die Filme der Berlinale reserviert.
Kunstherbst Berlin 04, „Kunst und Markt“, 3. September bis 3. Oktober. Nähere Informationen: www.kunstherbst-berlin.de
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