hartz IV vor gericht: Kalte Wohnungen und keine Bezüge
Die Probleme von Hartz-IV-Empfängern in Brandenburg sind vielfältig: Bei dem einen bleibt die Wohnung kalt, eine andere hat – nach Ansicht der Behörde – eine zu große Wohnung, ein unter 25-Jähriger will seine Eltern verlassen. Es kommt zu Differenzen zwischen Betroffenen und den zuständigen Stellen, die die Gelder auszahlen – oder dies eben nicht tun wollen. Immer mehr Hartz-IV-Empfänger ziehen dann vor Gericht. Dort dauert die Bearbeitung ihrer Fälle Monate. Nimmt die Zahl der Klagen zu, fehlt es an Personal.
Das Potsdamer Justizministerium weiß, mehr Personal ist notwendig. „Dies gestaltet sich aufgrund der Haushaltssituation jedoch schwierig“, so ein Sprecher. Die Linke spottet, Hartz IV schaffe Arbeit, aber nur für die Gerichte.
Einer, der Hartz-IV-Empfänger betreut, ist Joachim Wawrzyniak, Sprecher eines Aktionsbündnisses in Frankfurt (Oder). „Manchmal fallen die Leistungen auch komplett weg und die Leute geraten in der Folge in die Schuldenfalle“, sagt er. Wawrzyniak kümmert sich um knapp 1.200 Bedarfsgemeinschaften. „Bei etwa zehn Prozent der Fälle hilft ein Gespräch mit dem Mitarbeiter im Jobcenter.“ Oft seien aber Mitarbeiter nicht ausreichend geschult und nutzten Spielräume nicht, die das Gesetz lasse. „Die Verwaltung verwaltet.“
Das Sozialgesetzbuch II, das alle Hartz-IV-Gesetze enthält, ist schon mehrfach novelliert worden. „Da ist für uns ganz klar, dass wir unsere Mitarbeiter permanent schulen müssen. Das machen wir auch“, betont Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesarbeitsagentur. Der Gesetzgeber habe bewusst Lücken im Gesetz gelassen, die im Einzelfall ausgestaltet werden sollten. „Genau an dem Punkt kommt es zu Konflikten.“ In vielen Fällen solle dann das Sozialgericht „unbestimmte Rechtsbegriffe mit Leben füllen“.
2008 sind nach Angaben des Justizministeriums bei den vier Brandenburger Sozialgerichten zusammen 9.424 Klagen zu Hartz IV eingereicht worden. Im Jahr davor waren es 7.360 Klagen. Und es gebe keine Hinweise für eine Trendwende. Seit dem Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform 2005 habe das Ministerium die Personalausstattung der Sozialgerichte trotz angespannter Haushaltslage erheblich angehoben. Zum 1. März 2009 gab es an den vier Gerichten 57,25 volle Stellen für Richter (1. Juli 2005: 37), am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg waren es 54,5 (1. Juli 2005: 45,5). „In Zukunft sind weitere Personalsteigerungen in der Sozialgerichtsbarkeit – vorrangig im nichtrichterlichen Bereich – grundsätzlich notwendig“, hieß es vom Ministerium. Das Sozialgericht Potsdam habe 2008 eine Nebenstelle eingerichtet – 16 Kammern nahmen ihren Dienst dort auf. Die Gerichte ihrerseits klagen über Personalnot. Es fehlten Richter und Verwaltungsmitarbeiter. DPA
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