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Öde Nachbarschaft

TV-Improvisationskomödien sind schwer in Mode, Sat.1 zeigt mit der „Schillerstraße“: KomödiantInnen sind in Wirklichkeit gar nicht komisch

VON JENNI ZYLKA

Situation: Frau ist umgezogen und empfängt die FreundInnen erstmalig in ihrer neuen Wohnung. Ist das komisch? Nicht unbedingt. Wenn die Frau und ihre FreundInnen jedoch KomikerInnen sind, wenn die Umzugssituation eine fiktive ist, vor Livepublikum stattfindet, und wenn dann auch noch ein Regisseur im Hintergrund sitzt, der den ProtagonistInnen per Knopf im Ohr absurde Regieanweisungen gibt, dann schwärmt Sat.1 von einem völlig neuen Konzept: Impro-Comedy. Noch vollmundiger: Comedy-Innovation.

Diese Innovation gibt es natürlich schon so lange, wie es Theater gibt, und dient den SchauspielerInnen normalerweise dazu, sich in Spontanität zu üben. Bei Sat.1 indes improvisieren zwei Frauen und zwei Männer in der neuen Show „Schillerstraße“ eine halbe Stunde lang über Regieanweisungen wie „Flirte auf Sächsisch!“, „Hab einen Hexenschuss!“, „Du glaubst, dass Gerhard Schröder ein Außerirdischer ist“, während sie eine kleine Szene spielen. Und das Interessanteste, das man darüber sagen kann, ist: KomödiantInnen sind auch nur Menschen – und im wirklichen Leben ganz schön unkomisch. Annette Frier zum Beispiel legt bei „Flirte auf Sächsisch!“ gleich die Karten auf den Tisch („Ich habe die Regieanweisung, auf Sächsisch zu flirten“), was zwar auch eine Lösung, aber bei weitem nicht die eleganteste ist. Und bei „Du begehrst den Barhocker“ fällt ihr fast gar nichts mehr ein, außer einem Kichern, bei dem man nicht weiß, ob es Verlegenheit oder Amüsiertheit ausdrücken soll, so holzhammermäßig reingedrückt wirken die albernen Anweisungen, so verklemmt stellt man sich die geistigen Väter und Mütter dieser Innovation vor.

Sogar die Gastgeberin Cordula Stratmann, die ja schon einmal ziemlich lustig war, als sie nämlich in der anderen WG (bei „Zimmer frei“) ihre Rolle spielte, kann aus den spontanen Gags auch nicht mehr machen als eine nette Tante beim Party-Sprichwortspiel. „Gestern hab ich den Schröder bei der ‚Tagesschau‘ gesehen“, sagt sie, „und da hatte der so Antennen am Kopf und hat so komisch geredet – das ist ein Außerirdischer.“ Huhu. Stratmann, eigentlich eine sympathische, mutterwitzige Exfamilientherapeutin, ziert zwar die Premierensendung noch am ehesten mit „funny bones“ – ihre Figur, die kumpelige Ruhrpottlerin, ist zumindest einigermaßen unaufgeregt.

Doch Spitzenwitze sehen anders aus und hören sich anders an. In der Regie der neuen Show, das erklärt vielleicht schon etwas, sitzt als „Spielleiter“ ausgerechnet der Nichtskönner, aber Alleswoller Georg Uecker, den die Lindenstraße (gerne)groß gemacht hat.

Eigentlich ist das auch gar nicht schlimm. Comedians brauchen nämlich gar nicht innovativ und spontan spaßig zu sein. Dafür gibt es im besten Falle brauchbare DrehbuchautorInnen. Comedians müssen die Witze nur gut verkaufen – von SchauspielerInnen erwartet auch niemand Autorenqualitäten. Doch da gute GaglieferantInnen furchtbar rar sind, ist so eine „Comedy-Innovation“ eine günstige und leicht zu verwirklichende Produktion. Und ob die Impro-Comedy wirklich ankommt oder nicht, erfährt man frühestens dann, wenn sie frühzeitig abgesetzt oder eben fortgesetzt wird – man wird bei Sat.1 schon dafür sorgen, dass sich das Studiopublikum trotz lahmer Gags fernsehtauglich beömmelt.

Es könnte aber auch noch möglich sein, dass einer der deutschen „Top-Comedians“, die in die „Schillerstraße“ zu Besuch kommen werden, plötzlich wirklich richtig urkomisch ist. Von Natur aus. Quasi einer, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Oder würde das etwa das Format des längst überstrapazierten Genres sprengen?

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