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Keine Kritik und ein vorwitziger Wunsch

Die Bundesregierung und die EU tun sich schwer mit ihren Stellungnahmen zu der Geiselnahme und ihrem Ende: Schröder und Fischer setzen weiter auf Geheimkontakte zu Putin, und die EU verärgert den russischen Präsidenten mit dem Wunsch nach einer besseren Aufklärung

BONN/BRÜSSEL taz ■ Der Bundeskanzler zieht es weiterhin vor, die Russland-Diplomatie im Geheimen zu betreiben. „Ich gehöre nicht zu den Leuten, die über Rundfunk und Fernsehen Ratschläge geben“, erklärte Gerhard Schröder am Samstag im Anschluss der Kabinettsklausur in Bonn.

Dies war einerseits bloß die Antwort auf die Frage, was Putin gegen den Terror tun könne. Andererseits war es auch ein Hinweis, dass Schröder den russischen Präsidenten möglicherweise schon an den Zusammenhang von Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus erinnert hat – dies aber keinesfalls öffentlich zu tun gedenkt.

Ähnlich hatte sich auch Außenminister Joschka Fischer schon vor der Kabinettsklausur geäußert. Es könne auf Putins schwierige Situation keine einfachen Antworten geben. „Das hat mit Leisetreterei nichts zu tun. Wir werden die russische Seite als Partner brauchen. Was soll da die Forderung nach Leistungsnachweisen à la ‚Wie viele Sätze hierzu in einer Bundespressekonferenz‘, die in Wirklichkeit nichts bewegen?“, fragte Fischer in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau.

Zwar plädierte Schröder in Bonn erneut für eine „politische Lösung“ der Konflikte im Kaukasus. Er enthielt sich unter Verweis auf die Grausamkeit der Geiselnehmer in Beslan jedoch der Details: „Ich glaube nicht, dass man mit Terroristen reden kann, die in panischer Angst fliehenden Kinder in den Rücken schießen.“ Schröder wird Putin bereits in dieser Woche bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Schleswig wieder treffen.

Während der Bundeskanzler bei seinen Äußerungen vor allem die innenpolitische Debatte im eigenen Land im Auge behalten muss, befindet sich der jeweils amtierende EU-Vorsitzende in einer deutlich komplizierteren diplomatischen Lage. Er muss dafür sorgen, dass 25 Regierungen mit seinen Aussagen leben können. Wie heikel diese Aufgabe sein kann, ließ sich am Wochenende auf der Homepage der niederländischen Regierung nachvollziehen. In einer Freitagnacht auf dem informellen Außenministertreffen in Valkenburg bei Maastricht verteilten schriftlichen Erklärung hatte Außenminister Bernard Bot kritisch gefragt: „Wir alle würden auch gerne von den russischen Behörden wissen, wie diese Tragödie passieren konnte.“

Am Samstagabend wurde Bot dann auf der Homepage so zitiert: „Um besser zu verstehen, was in der Schule passierte, würden wir gerne mehr Details von den russischen Behörden erfahren, damit wir uns gegenseitig helfen können, den Terrorismus in jeglicher Form überall in der Welt zu bekämpfen.“ Da auch diese Formulierung nicht geeignet war, die Empörung der Moskauer Regierung zu dämpfen, wurde der Text inzwischen ganz von der Homepage entfernt.

Der Vorfall erinnert wieder einmal daran, dass es eine einheitliche Haltung in Europa zu den strittigen außenpolitischen Fragen nicht gibt. Ob Irakkrieg oder Tschetschenienwahl, ob Palästinenserfrage oder Terroristenjagd – der jeweils amtierende Außenminister kann nur zu allgemeinen Floskeln Zuflucht nehmen und mit seiner persönlichen Meinung möglichst hinter dem Berg halten.

Betrachtet man unter diesem Blickwinkel die Forderung nach einem EU-Sitz im Weltsicherheitsrat, wird eines klar: Der Politiker, der ihn einnimmt, braucht eine multiple Persönlichkeit.

ULRIKE WINKELMANN DANIELA WEINGÄRTNER

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