piwik no script img

Schröders Putztruppe

Die SPD-Parteiführung kämpft rücksichtslos gegen die Kritiker in den eigenen Reihen. Der Kanzler wird ironisch: „Ich dränge mich nicht auf“

BERLIN taz ■ Von Körpersprache versteht Sigmar Gabriel etwas. Als der Kanzler fertig war mit seiner kleinen Grundsatzrede, stand Gabriel extra auf, obwohl der bullige Niedersachse, der mal Ministerpräsident war und sich jetzt als Fraktionschef in Hannover langweilt, auch im Sitzen nicht zu übersehen ist. Gabriel hat diese Von-oben-herab-Position gewählt, um gezielt die Parteilinke Andrea Nahles anzugreifen. Nahles hatte am Wochenende die Regierungspolitik mit den Worten „konzeptionslos, perspektivlos, instinktlos“ zusammengefasst und musste sich jetzt von Gabriel dafür zusammenfalten lassen. „Du solltest dir überlegen, ob du mit so einer Position noch mal für den Parteivorstand kandidierst“, sagte er.

Das war so der übliche Tonfall in der gestrigen Sitzung des SPD-Vorstandes. Frontal und ohne taktische Rücksichtnahme griff die SPD-Spitze die Parteilinken und die Abweichler aus der Bundestagsfraktion an. Der Kanzler hatte damit begonnen und Juso-Chef Niels Annen angepöbelt. Gabriel folgte. Viele andere sprangen dem Kanzler bei. Mehrere von ihnen erinnerten an die Endphase der Regierung von Helmut Schmidt. Die SPD dürfe nicht noch einmal an sich selbst scheitern, mahnten sie.

Der Kanzler legte Wert auf eine Klarstellung („Versteht das nicht gleich wieder als Rücktrittsdrohung“), die er in Ironie verpackte. „Natürlich habe ich mich an die Macht gedrängelt und halte jetzt krampfhaft daran fest“, sagte er. Dann etwas ernster: „Ich dränge mich nicht auf.“

Bei den meisten Linken kamen weder die zeithistorischen Erinnerungen noch Schröders Härte an. Aber aufmerksam registriert wurde im Vorstand die Worte des „Abweichlers“ Ottmar Schreiner. Er trug ruhig die Gründe für sein Nein zur Gesundheitsreform vor, sagte aber auch, dass er wisse, wann er zur Koalition stehen müsse. Wie man mit ihm umgegangen sei, wurde Schreiner beim Herausgehen gefragt. „Freundlich wie immer“, antwortete er. JENS KÖNIG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen