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Anti-Kohle-Bewegung feiert sich

Nachdem Vattenfall die Pläne für den Bau des Kohlekraftwerks in Berlin fallen lässt, hoffen Aktivisten auf einen bundesweiten Trend gegen die klimaschädliche Kohle

BERLIN taz ■ Mit Widerstand kennt Olaf Bandt sich aus. Er ist Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND – und hat schon vor Jahren gegen Müllverbrennungsanlagen demonstriert. „Damals waren die Umweltschützer allein“, sagt er. Bei seinem neuem Protestobjekt, den Kohlekraftwerken, sei das anders. Da kämen Ärzte, Pfarrer, Bauern, Politiker, Rentner und Jugendliche zusammen – es gebe „eine einmalige Koalition“.

Die Anti-Kohle-Bewegung feierte ihre Erfolge am gestrigen Dienstag, fünf Tage nachdem der Energiekonzern Vattenfall verkündete, auf den Bau eines Kohlekraftwerkes in Berlin zu verzichten. Jahrelang hat es Querelen gegeben, Proteste. Die Klima-Allianz, ein Bündnis, zu dem neben dem BUND rund 90 andere Organisationen gehören, erklärt: „Der Widerstand wächst“– bundesweit würden die Planungen der klimaschädlichen Kohlekraftwerke aufgegeben.

Jürgen Maier vom „Forum für Umwelt und Entwicklung“ zählt auf: „Wir haben schon zwei Kohlekraftwerke im Saarland, zwei in Nordrhein-Westfalen, eins in Bremen und eins in Rheinland-Pfalz verhindert.“ RWE habe angekündigt, ab 2013 keine Kohlekraftwerke in Westeuropa mehr zu bauen. Der Rat der Stadt Düsseldorf habe die Stadtwerke aufgefordert, den Antrag für ein Kohlekraftwerk zurückzuziehen. Und Erwin Sellering, SPD-Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, sei vom Kohlekraftwerk in Lubmin abgerückt.

Nach Informationen des BUND sind noch immer 24 Kohlekraftwerke geplant, vor Kurzem machten die Umweltschützer noch 31 Projekte aus. Diese Zahlen sind allerdings umstritten. SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hält sie seit eh und je für übertrieben. Er argumentiert, der Emissionshandel sorge dafür, dass sich künftig nur noch die effizientesten Meiler lohnen würden. Mit ihm müssten die Energiekonzerne schließlich für den Ausstoß von Kohlendioxid zahlen. Ganz ohne Kohle gehe es aber nicht,wenn Deutschland aus der Atomkraft aussteigen wolle. Sonst drohe ein Versorgungsengpass.

Kohlegegner halten das für Unsinn. „Es gibt keine Stromlücke“, sagt Olaf Bandt. Derzeit exportiere Deutschland viel Strom. Außerdem könnten die erneuerbaren Energien ausgebaut und die Energieeffizienz gesteigert werden. Bandt ärgert, dass die Bundesregierung derzeit an einer Verordnung arbeitet, um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu fördern. Sie hatte im Dezember auf dem EU-Klimagipfel durchgesetzt, dass die Mitgliedstaaten bis zu 15 Prozent der Investitionskosten subventionieren dürfen. Kohle sei unwirtschaftlich, meint Bandt. Die Preise für Kraftwerke, Kohle und CO2-Zertifikate steigen. Also rechnen Vattenfall und Co nur – und geben nicht wegen der Proteste auf? „Es ist doch so“, meint Bandt, „je stärker wir protestieren, klagen und den Bau verzögern, umso teurer wird es auch für die Konzerne.“

HANNA GERSMANN

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