piwik no script img

Drei Jahre für ein Kreuz aus Blut

Zum sechsten Mal wurde gestern der „Nuclear-Free Future Award“ verliehen. Der weltweit wichtigste Anti-Atom-Preis geht in diesem Jahr an drei Ordensschwestern, eine irakische und eine deutsche Wissenschaftlerin. Und an einen Medizinmann

aus München THOMAS PAMPUCH

Zum sechsten Mal wurde gestern im Alten Rathaus von München der mit 30.000 Euro dotierte „Nuclear-Free Future Award“ vergeben. Erklärtes Ziel der Preise – vergeben in den Sparten Widerstand, Aufklärung, Lösungen . ist es, „Wegbereiter einer Welt ohne Atomwaffen und ohne Atomstrom zu fördern“, so die Initiatoren Claus Biegert und Franz Moll von der „Stiftung für die kommenden Generationen“.

Nicht alle Preisträger konnten nach München kommen: Carol Gilbert (54), Jackie Hudson (67) und Ardeth Platte (66) – drei Ordensschwestern, die im Oktober 2002 in ein Atomraketensilo in Colorado eingedrungen waren – sitzen seit August in Haft. Die Dominikanerinnen hatten auf jene Schienen gehämmert, auf denen die Atomraketen vom Typ „Minuteman III“ transportiert werden. „Ein Bundesgericht wertet die symbolische Aktion gegen Massenvernichtungswaffen als Sabotage“, erklärte Dominikanerschwester Diane Zerfus, die den Preis entgegennahm. Sabotage sah in diesem Fall so aus: Die Frauen hatten mit ihrem Blut ein Kreuz auf die Raketen gemalt. Mit schweren Folgen: Das Gericht verdonnerte die Mitglieder der US-Friedensbewegung „The Ploughshares Movement“ zu Haft zwischen 2 und 3 Jahren.

Der 47-jährigen Irakerin Dr. Souad Naji al-Azzawi wurde der Award in der Kategorie „Aufklärung“ zugesprochen. Die Geologin aus Bagdad hat die radioaktive Wirkung der mit DU gehärteten Geschosse in den Irakkriegen untersucht. DU steht für depleted uranium – abgereichertes Uran. Besonders im Südirak – speziell bei Basra – hat al-Azzawi bedenkliche Werte gefunden, die die Bezeichnung „stiller Killer DU“ zu rechtfertigen scheinen. Schon aus den vergangenen Kriegen liegen im Südirak an die 5.700 mit der radioaktiven Munition beschossene Panzerwracks. „Ein Gebiet von über 1.700 Quadratkilometern ist verstrahlt, Krebserkrankungen haben auf ein Mehrfaches zugenommen“, so al-Azzawi zur taz. „Genetische Schäden bei Neugeborenen haben signifikant zugenommen.“ Solange die zerstörten Panzer nicht vollständig entsorgt würden und der verseuchte Boden abgetragen werde, bleibe die Gefahr akut. Al-Azzawi: „Seit dem letzen Krieg ist auch Bagdad gefährdet. Die Stadt wurde ja auch mit DU-Munition beschossen.“

Mit Inge Schmitz-Feuerhake wurde gestern in München eine weitere Frau geehrt – für ihr Lebenswerk. Die Physikerin forscht seit Jahrzehnten über die Leukämiehäufigkeit in der Nähe von Atomkraftwerken. „Ihre bohrenden Analysen haben dazu geführt, dass Schleswig-Holstein die Leukämie-Kommission einsetzte“, begründeten die Juroren.

Für die nächste Verleihung haben die Veranstalter einen Wunsch: einen Preisträger zu haben, „der sich erfolgreich dafür eingesetzt hat, der Internationalen Atomenergiebehörde das Mandat zu nehmen, Atomenergie zu fördern“. Claus Biegert: „Wir brauchen stattdessen eine internationale Agentur für regenerative Energien!“

www.nuclear-free.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen