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hamburger szeneErbarmungslose Mode

Jeder von uns trägt ein paar Begriffe mit sich herum, die zu begreifen ihm niemals gelungen ist. Für mich gehörte das Wort Fashion victim lange in diese Kategorie. Wenn es fiel, sah ich immer nur Menschen vor mir, die viel Zeit und Geld für Kleidung aufwendeten und daran ihren Spaß hatten, so wie andere ihren Spaß daran haben, viel Zeit und Geld für Bücher aufzuwenden, ohne dass irgendwer von Book victim oder von Buch-Behindis spräche. Fashion victim konnte so gesehen nur eine Verunglimpfung sein, erdacht als Rache der schlecht Angezogenen.

So schien es mir, bis ich das Gespräch zweier Damen anhören durfte, die vor mir den Neuen Wall zur Alster entlangstöckelten. „Es ist schrecklich“, sagte die eine, „einfach zu schrecklich“. (Die Betonung lag auf dem „zu“, um nicht zu sagen, sie spitzte den ganzen Satz auf dieses kurze Wörtchen zu). „Ich brauchte die Tasche gar nicht“ sagte sie, „mir steht sie auch gar nicht, und viel zu teuer war sie ohnehin“. Hier machte sie eine Atempause, lang genug, dass die Freundin ihr einen gespannten Blick zuwerfen konnte. „Aber ich musste sie einfach kaufen. Ich musste einfach“, stöhnte sie und, mit letzter Kraft: „Zu dumm.“

Leider brach hier die Unterhaltung ab, die Frau wandte sich mit einem spitzen Schrei zum Schaufenster linker Hand. Dort hing ein Kleid, gehäkelt, geblümt, genau aus dem Stoff, der die Tische aller Altersheime ziert. Ein schreckliches Ding. Das wusste sie. Aber Mode. Und so musste sie. MAXIMILIAN PROBST

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