: Liberia baut auf seine Erze
von THILO F. PAPACEK
Wenn heute Liberias neue Mehrparteienregierung unter Übergangspräsident Gyude Bryant ihr Amt antritt, liegt eine kaum lösbare Aufgabe vor ihr: der Wiederaufbau des Landes. Nach Jahren des Bürgerkrieges ist Liberia fast vollständig zerstört. Der UN-Sonderbeauftragte für Liberia, Jacques Klein, sagte vor kurzem, das Land brauche ein fünf- bis zehnjähriges internationales Wiederaufbauprogramm.
Dabei ist das 3 Millionen Einwohner zählende Liberia reich an Ressourcen: Diamanten und Gold finden sich längs des Lofa River nordwestlich von Monrovia ebenso wie das seltene, in der Elektronikbranche verwendete Erz Kolumbit-Tantalit, das besser bekannt ist als Koltan und in den Kriegen des Kongo internationale Berühmtheit erlangte. Auch Blei sowie die Erze Bauxit und Baryt, aus denen Aluminium hergestellt wird, sind unter der liberianischen Erdoberfläche zu finden.
Vor dem Bürgerkrieg waren Eisenerz, Kautschuk und Edelhölzer die Hauptexportprodukte des Landes. In den 60er- und 70er-Jahren, unter den Präsidenten William V. Tubman und seinem Nachfolger Wiliam R. Tolbert jr., wurden ausländischen Firmen großzügige Zoll- und Steuerfreiheiten eingeräumt. „Was nützen uns Schätze im Boden, wenn wir keine Schaufeln haben, um sie auszugraben?“, soll Tubman gesagt haben.
Durch die ausländischen Unternehmen wurde das kleine Liberia bis in die 70er-Jahre zum zehntgrößten Eisenerzproduzenten der Welt. Allerdings blieb dieser Sektor unter ausländischer Kontrolle. Zwar schufen die Firmen neue Arbeitsplätze und bauten sogar Krankenhäuser und Arbeitersiedlungen im Landesinnern. Dennoch verstärkten diese Maßnahmen eher die Abhängigkeit Liberias von ausländischen Märkten und Kapital. Außerdem zogen sie Arbeitskräfte aus dem Subsistenzbereich ab, wodurch Liberia sein wichtigstes Nahrungsmittel Reis importieren musste.
Als in den 70er-Jahren die Stahlindustrie weltweit in der Krise steckte, verlor Liberias Staat einen Großteil seiner Einkünfte. Aber von diesen hatte die Bevölkerung bisher ohnehin wenig gesehen: Die liberianische Gesellschaft war in zwei Klassen geteilt. Die „Americoliberianer“, Nachfahren schwarzer US-Sklaven, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der American Colonization Company an der „Pfefferküste“ angesiedelt worden waren und die 1847 die Republik Liberia gegründet hatten, führten die Gesellschaft. Ganze 14 Familien beherrschten das ganze Land. Als Präsident Tolbert Druck auf die internationalen Firmen ausübte, mehr liberianische Arbeitskräfte in den höheren Positionen einzustellen, wurden vor allem Familienmitglieder dieser „Big Shots“ bedacht. Über 95 Prozent der Bevölkerung, die so genannten eingeborenen Liberianer, blieben weitgehend ohne politische Rechte.
1980, nach der Wirtschaftskrise, endete die Vorherrschafft der Americoliberianer, als Hauptfeldwebel Samuel K. Doe putschte und den Präsidenten William R. Tolbert und seine Vertrauten hinrichtete. Sah es zunächst so aus, als würden mit Does Machtübernahme die Menschen in Liberia endlich an der Politik und der Wirtschaft ihres Landes teilhaben, stellte sich bald das Gegenteil heraus: War das Regime unter Tolbert korrupt, so war Does Regime superkorrupt. Doe fand sein gewaltsames Ende 1990, nachdem Warlord Charles Taylor eine Rebellion gestartet hatte. Der Bürgerkrieg nahm seinen fatalen Lauf.
Einzig der Schmuggel von Diamanten aus Sierra Leone und der Export von tropischen Hölzern brachten dem Land während des Krieges noch was ein. Diese Geschäfte wurden ab 1997, als Taylor zum Präsidenten gewählt wurde, fast ausschließlich über ihn abgewickelt. Er soll mit Geschäftsleuten zusammengearbeitet haben, denen die Rechercheorganisation Global Witness vorwirft, Diamanten aus Sierra Leone an das Al-Qaida-Netzwerk gegen Waffen für Rebellen aus Sierra Leone getauscht zu haben. Hinzu kamen die Erträge, die Liberia aus dem Geschäft mit Schifffahrtslizenzen erwirtschaftete: etwa 18 Millionen US-Dollar im Jahr. Das Lizenzregister Liberias, das zweitgrößte der Welt, wird von einer US-Firma in Vienna, Virginia verwaltet, der Liberian International Ship and Corporate Registry (LISCR). Es hat unter anderen von deutschen Grünen Forderungen gegeben, das liberianische Register zu boykottieren.
Der Vorstandsvorsitzende von LISCR, Yoram Cohen, lehnt jegliche Verantwortung seiner Firma für die mögliche Verwendung der Einnahmen ab: „Wir haben immer den Gesetzen Liberias und der USA entsprechend gehandelt“, sagt er. „Wir haben ein Abkommen mit der Republik Liberia, das von uns verlangt, die Einnahmen aus unseren Geschäften auf Konten der Liberianischen Zentralbank in den USA zu überweisen, und so haben wir gehandelt.“ Er begrüße aber die neue Regierung unter Gyude Bryant und hoffe, dass von nun an diese Ressourcen zum Wohl der Liberianer eingesetzt werden.
Jacques Klein, der UN-Sonderbeauftragte, ist da zuversichtlich. „Wir haben hier eine relativ kleine Bevölkerung, wir haben hier Ressourcen“, sagte er der Financial Times. „Wir müssen nur noch herausfinden, wem sie gehören.“
Das ist gar nicht so einfach. Für den Eisenerzsektor sieht Wilhelm Laszlob, der von 1963 bis 1976 in Liberia bei der BMC gearbeitet hat, erst einmal schwarz: „Nur die Reicherzvorkommen in der Nimba-Range lohnen sich zum Abbau“, sagt er. Dort, im Norden Liberias, nahe der Grenze zu Guinea, hatte die schwedisch-amerikanische Lamco ihre Minen. Dank des hohen Eisengehalts in diesen Erzen braucht man sie nur aus dem Boden zu sprengen. In den Lagerstätten von Bong im Zentrum Liberias, wo die deutsch-italienische BMC aktiv war, liegen allerdings Armerze mit niedrigerem Eisengehalt: Diese mussten erst in eigens errichteten Aufbereitungs- und so genannten Pelletisierungsanlagen vor Ort weiterverarbeitet werden. Für die Stromversorgung dieser Anlagen stand auf dem BMC-Gelände das damals größte Dieselkraftwerk der Welt. Heute sind die Anlagen völlig zerstört: „Sogar die Kupferkabel sind geplündert worden“, so Laszlob. Sie wieder herzurichten lohne sich nicht, da die ehemaligen BMC-Lagerstätten nur noch für etwa 15 Jahre reichen.
Doch auch der vergleichsweise einfache Abbau der Reicherzlager nahe der guineischen Grenze dürfte schwierig werden: Der größte Teil des Erzlagers befindet sich auf der guineischen Seite der Grenze. Ein Abkommen aus den 70er-Jahren sieht vor, dass in Guinea Erze abgebaut und dann über Liberias Hafen Buchanan verschifft werden sollen. Damals wurde daraus nichts, aus politischen Gründen. Heute birgt dieses Abkommen politische Brisanz.
Guinea unterstützt die größte liberianische Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie), deren Führer Sekou Conneh ein enger Freund von Guineas Staatschef Lansana Conté ist und von diesem Ausrüstung und Soldaten gestellt bekommen hat. Die Lurd beherrscht die erzreichen Grenzregionen. Aber der Hafen Buchanan steht unter Kontrolle der rivalisierenden Rebellenbewegung Model (Bewegung für Demokratie in Liberia), die von der Elfenbeinküste unterstützt wird und den Süden Liberias mit allen wichtigen Häfen außer Monrovia kontrolliert.
Lurd ist militärisch stärker, aber Model scheint in der zukünftigen Mehrparteienregierung die besseren Karten zu haben: Die Gruppe erhält unter anderem das Büro für Maritime Angelegenheiten, die Verwaltung des internationalen Flughafens und das Bergbau-, Handels- sowie Außenministerium. So sitzt sie an den Schaltstellen für Liberias künftige außenwirtschaftliche Beziehungen (siehe Kasten).
Doch Tom Elder, Präsident der in London und Toronto angesiedelten Bergbaufirma Mano River Resources, hat trotzdem Hoffnung – wenn auch nicht auf Eisenerzvorkommen: „Unsere aussichtsreichsten Projekte befinden sich in Liberia“, sagte er jüngst der Financial Times. Mano River Resources ist eine von mehreren hochspezialisierten Minenfirmen, die seit dem Friedensvertrag vom 18. August in Liberia aktiv geworden sind. Sie haben Diamantenvorkommen und möglicherweise eine größere Goldader in Liberia entdeckt. Zwar sind dies kleine Extraktionsgeschäfte, die keiner größeren Investitionen bedürfen. Trotzdem: Wenn kleine Firmen Erfolge vorweisen können, ermutigt das vielleicht auch größere Investoren.
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