Eine schmerzhafte Auseinandersetzung

Die taz-GenossInnen stimmen gegen den Antrag, die Kündigung zweier Hamburger taz-Fotoredakteure aufzuheben

Als der laut Aufsichtsrat und Versammlungsleiter Urs Müller-Plantenberg „spannendste Moment“ der taz-Genossenschaftsversammlung gekommen war, zeigte eine Mehrheit der Karten in die Höhe: Bei relativ vielen Enthaltungen stimmten die meisten der anwesenden Mitglieder der taz-Genossenschaft gegen Antrag 17. Der hatte verlangt, dass die im Dezember letzten Jahres durch die Berliner Geschäftsführung ausgesprochene Kündigung der beiden Hamburger Fotografen Henning Scholz und Markus Scholz zurückgenommen wird. Stattdessen wurden Vorstand und Aufsichtsrat per Beschluss aufgefordert, innerhalb des laufenden Arbeitsgerichtsverfahrens eine Vergleichslösung anzustreben. Der Streit um die Schließung der Hamburger Fotoredaktion, der Betrieb wurde Ende Juli offiziell eingestellt, war ein zentrales, da auch emotionales Thema der taz-Genossenschaftsversammlung. Müller-Plantenberg stellte fest, dass die Entlassung der beiden langjährigen Fotografen nicht in die Unternehmenskultur der taz passe und eine Ausnahme bleiben müsse, dennoch habe weder der Vorstand seine Fürsorgepflicht vernachlässigt, noch gebe es Grund zum Zweifel an der Darstellung der Geschäftsführung.

Hintergrund dieser für alle Beteiligten schmerzhaften Auseinandersetzung war die Notwendigkeit einer kostenreduzierenden Umstrukturierung der taz nord, die sich aus ihrem seit 2002 rapide steigenden Defizit ergeben hatte. Um den Bestand der Gesamtzeitung nicht zu gefährden, hatte der Vorstand die Betriebsstätten der taz nord aufgefordert, ein Einsparungskonzept zu erarbeiten, das die Einführung gemeinsamer Seiten von taz hamburg und taz bremen sowie den Abbau von insgesamt fünf Stellen beinhalten sollte. Stattdessen jedoch, sagte Geschäftsführer Kalle Ruch, sei die Gegenforderung erhoben worden, den Umfang des Lokalteils auf acht Seiten anzuheben. Daraufhin hatte der Vorstand begonnen, seine Sparmaßnahmen auch ohne Einigung durchzusetzen – woraufhin der Hamburger Betriebsrat das Arbeitsgericht eingeschaltet hatte. Im folgenden Beschlussverfahren wurde ein Vergleich erzielt, Geschäftsführung und Betriebsrat sollten sich auf eine Kostenreduzierung einigen.

Die Geschäftsführung schlug daraufhin vor, entweder die kostenintensive Fotoredaktion einzustellen oder ein Alternativkonzept anzubieten. In Hamburg zeigte man sich solidarisch: Die Mitarbeiter waren unter anderem bereit, auf ihren Lohnzuwachs zu verzichten, gespart werden sollte auch bei den Honoraren. Die Ersparnissumme betrug schließlich 30.000 Euro, der Vorstand jedoch lehnte dieses Konzept ab: „Es liegt nicht im Interesse der taz, dass ausgerechnet an den ohnehin geringen Gehältern und Honoraren gespart wird“, erklärte Ruch.

Seit der offiziellen Kündigung und dem Scheitern einer Abfindungsregelung sehen sich Henning Scholz (53) und Markus Scholz (46) in der Kantine des Hamburger Arbeitsgerichts, bei dem beide Kündigungsschutzklage erhoben haben – der Klage des Betriebsrates Markus Scholz wurde stattgegeben, allerdings wird er bis zur rechtskräftigen Entscheidung im November nicht weiter beschäftigt. Im Fall Henning Scholz fällt das Urteil Ende November, bis dahin digitalisiert er das Fotoarchiv der taz hamburg. Vor der Abstimmung im Palais der Berliner Kulturbrauerei hatte noch einmal eine rege Diskussion stattgefunden. Konzernbetriebsrat Steffen Grimberg forderte den Vorstand auf, nach gerichtsunabhängigen Vermittlungsmöglichkeiten zu suchen. Die Genossin Hanne Tügel, Mitglied der im Laufe der Auseinandersetzung gegründeten Aktion „Pro Foto“, erinnerte an die Bedeutung der Hamburger Lokalberichterstattung („In Hamburg hat Springer ein Zeitungsmonopol“). Auch der Antragsteller Wolfram Giese beklagte die „Eindampfung des Hamburger Lokalteils“.

Insbesondere Genossen aus dem süddeutschen Raum bezeichneten diese Diskussion als ein „Jammern auf hohem Niveau“. Während es im Süden gar keine Lokalausgaben gebe, klammere man sich in Hamburg an eine eigene Fotoredaktion. Das Regionalisierungskonzept der taz wurde von vielen GenossInnen begrüßt.

Auf der Versammlung war zudem weitgehend Konsens, dass in der Frage um die Entlassung endlich „die Gräben zugeschüttet werden müssen“. Für den gekündigten Henning Scholz haben die Vorgänge zwei Ebenen, „eine rechtliche und eine moralische“. Er hat die taz hamburg mit aufgebaut und ist menschlich enttäuscht. Rechtlich hofft er auf einen Kompromiss: Der sähe so aus, dass er in Zukunft halb in der Anzeigenabteilung arbeiten würde und halb im Bereich Foto.

MARTIN REICHERT