Ein Bang Bang für die Blutfontäne

Der neue Tarantino-Film hat das Label „Kult“ nicht verdient. Seine Bilder sind stärker als dieses dumme Wort

von SUSANNE LANG

„Kill Bill“, Quentin Tarantinos neuer, vierter und lang erwarteter Film ist noch nicht mal drei Tage in unseren Kinos. Und das noch nicht mal komplett, nur der erste Teil. Der Rachefeldzug der „Braut“ Uma Thurman gegen Bill ist noch nicht zu Ende, ihre Top-five-Todesliste der Mitglieder der Killerorganisation noch nicht abgearbeitet, aber eine Frage sitzt schon jetzt mit im Kinosessel: Handelt es sich um das neue Kult-Werk der 2000er?

Das Problem der Frage beginnt und endet schon damit, dass sie gestellt wird. Obwohl mitterweile keiner nicht mal dem schlimmsten „Matrix“-Sequel das Label „Kult“ an den Abspann hängen würde, obwohl vom Ostprodukt bis zum Ikea-Katalog alles in die Kult-Schablone gepresst wird – bei einem Tarantino will sich der ambitionierte Cineast den Kult nicht nehmen lassen. Wirft mit ein paar gewichtigen und popkulturell versierten Statements umher und grübelt über „tarantineskes“ Kino. Wartet darauf, dass Frauen demnächst gelbe Motorradkluft tragen und sich mit Samurai-Schwertern den Weg frei schlagen. Dass keine Cornflakes-Packung mehr ohne versteckte Schusswaffe im Küchenregal steht. Dass knallgelbe Minitrucks mit grellpinken „Pussy Waggon“-Schriftzügen die neue Golf-Generation ablösen.

Man gibt sich enttäuscht, dass Tarantino ja sein Markenzeichen, den Dialog, vernachlässigt und die Filmgeschichte überstrapaziert. „Kill Bill“ – der unoriginelle Genre-Mix aus Spaghetti-Western, chinesischen Martial-Arts-Filmen, japanischen Samurai-Werken, Animes, Blaxploitation-Filmen und vielem mehr. Königswissen, das erst nach wochenlangem Sichten besagter Genres der Filmgeschichte nützlich wäre.

Immerhin gäbe es noch das geniale Ding namens „Duck-Pressing“ – ein Kochvorgang, der zermanschte Entenknochen als Geschmacksverfeinerung unter Speisen mischt und laut Tarantino das Kompositionsprinzip seines Werks symbolisiere.

In Wirklichkeit ist das alles natürlich völlig egal. „Kill Bill“ hat wunderbare Szenen, kleine Spots, die das persönliche Filmgedächtnis sofort speichert. Die zum Lachen zwingen, deren Grausamkeit manchmal die Augen schließen lässt, deren Dialoge schöner sind als vieles, was sonst so aus Kino-Surround-Boxen schwallt.

Die Augen der Braut, die der Rache Ausdruck verleihen. Ihr großer, tauber Zeh, den dieser Blick langsam wieder zum Wackeln bringt. Ihr dreivierteltoter Mund, aus dem sie, immer noch stolz, ins rechte Auge eines Sheriffs spuckt. Dumpfe Schläge einer Krankenhaustür, die einmal, zweimal, dreimal auf den Kopf eines Krankenpflegers schlagen, bis irgendwann gar nichts mehr kracht. Eine Pistolenkugel, die zwischen schokobraunen Müsli-Bällchen aus der Cornflakes-Packung zischt. Das Zischen von knallroten Blutfontänen, die aus abgeschlagenen Arm,- Kopf- und Beinstümpfen schießen, bis das Bild in einem roten Meer zerfließt. Ein sanftes „Bang Bang“ auf der Tonspur, mit dem Nancy Sinatras Stimme die Kugeln des Killers noch mal in den Kopf der Braut schießt. Weiches Licht in einer Dachkammer, das sich auf Schwertern des großen und einzigen Samurai-Meisters spiegelt.

Sonnenbrillen auf dem Armaturenbrett eines Cop-Cars, die mehr über seinen Sheriff erzählen, als es ein ganzer Western tun würde. Eine Whiskeyflasche, die sich in den Manga-Streifen verirrt hat, nur um mit einer Kugel zerschossen und einem Zigarrenstumpen angezündet das Blutbad niederzubrennen. Ein abgesäbelter Kopf auf dem Tisch, der eine Runde von Untergrund-Bossen zu einer plötzlich nicht mehr ganz so trauten Versammlung macht.

Diese Bilder Tarantinos bleiben im Kopf. Ist das jetzt Kult? Diese lästige Frage hat sich längst erübrigt.