: Applaus bleibt aus
Warme Worte, heiße Luft und gute Laune verbreitete der Kanzler auf dem 50. Kongress des Bundes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Bonn
AUS BONN STEFFEN GRIMBERG
Das Pressefusionsrecht wird liberalisiert, sprach der Kanzler: „Es nutzt doch nichts, wenn Vielfalt abstrakt erhalten bleibt, aber die wirtschaftliche Basis fehlt.“ Eigentlich Labsal für die rund 300 Verleger im Saal, doch Szenenapplaus gab es keinen.
So ganz glücklich waren die Herren der Zeitungen mit Gerhard Schröder nicht. Zum einen verteidigte der gelassen das Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Er habe es mehrfach gelesen „und weil ich ’ne solide juristische Ausbildung habe, auch verstanden“. Der Richterspruch, der die Verwendung von Promifotos außerhalb offizieller Auftritte einschränkt, sei nicht das viel besungene und befürchtete Ende der Pressefreiheit, sondern das Gegenteil: „In diesem Urteil werden die Pressefreiheit und die Garantie für seriösen Journalismus in Stein gemeißelt.“
Das hörten die Verleger nicht wirklich gern, und machte sie der Kanzler auch noch indirekt mitverantwortlich für die sich seit Monaten hinschleppende Debatte um die Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse: „Es ist vielen immer noch nicht klar, worum es geht“, sagte der Bundeskanzler und meinte nicht nur die in dieser Frage zerstrittenen Koalitionsfraktionen, sondern eben auch das Verlegerlager selbst. Denn es müsse schließlich „’ne Menge Überzeugungsarbeit entfaltet werden. Das ist noch nicht hinreichend geleistet.“
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will die seit 1976 geltenden Kartellvorschriften für Zeitungen so verändern, dass Kooperationen und Fusionen künftig deutlich einfacher möglich sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen auch neue Verlagsmonopole zugelassen werden.
Gegen diese so genannte Altverlegerklausel gibt es Widerstand in allen Parteien. Kein Problem für Bundesregierung und SPD-Spitze: Jetzt sollen offenbar weitreichende Kooperationen denselben Zweck erfüllen. Aber der Jubiläumskongress zum 50. Geburtstag des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sei „nicht der Ort, um über Details zu reden“, so Schröder. Warme Luft produzierte auch NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD): „Ich glaube, dass hier mit dem Wirtschaftsminister zu reden ist.“ Man arbeite vor allem in Sachen Altverlegerklausel an „Alternativen und Modifikationen“. Er werde das Thema Pressefusionsrecht außerdem bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz der Länder auf die Tagesordnung setzen, so Steinbrück.
Verlegerpräsident Helmuth Heinen zeigte derweil der hohen Politik, wie Jubiläumsreden eigentlich auszusehen haben: „Die deutschen Zeitungen haben in diesen schwierigen Zeiten mutig neue Wege beschritten, Menschen für das Kulturprodukt Zeitung zu begeistern“, sagte der Verleger der Kölnischen Rundschau.
Das ist mit Blick auf die immer noch innovationsfeindliche Branche zwar nicht ganz präzise, aber es ist ja Geburtstag. Und immerhin bei den Tabloids, war am zweiten Tag der Veranstaltung zu hören, kommt es ja auch hin: Springers Welt kompakt zieht zu 50 Prozent Menschen in der magischen Altersgruppe zwischen 18 und 35 an, die vorher kaum Zeitungen gelesen haben, so Springer-Chefredakteur Jan-Eric Peters. Die „große“ Welt werde es aber auf ewig und die Welt kompakt nie im Abo geben.
Gute Ergebnisse bescheinigte sich auch Holtzbrinck-Pressechef Michael Grabner bei dieser „Restmarktausschöpfung“, die sein Konzern mit dem Regionalblatt 20cent (Cottbus) und seit zwei Wochen mit der Welt kompakt-Konkurrenz News in Frankfurt/Main betreibt. Der Trend zu Tabloids hält an, Terry Groth vom kleinformatigen britischen Independent warnte noch kurz, dass es nicht auf die Größe allein ankomme. Und dann sprach FAZ-Herausgeber Günther Nonnenmacher noch einen schönen Schlusssatz: „Ich sehe uns das nicht machen – in den nächsten Wochen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen