Dans op de Deel: Playback auf dem Polizeiball
L. ist Sängerin einer Band, die so heißt wie Großraumdiscos am Stadtrand: Capitol oder Roxy könnte der Name der Bremer Cover-Combo sein, die man für das musikalische Rahmenprogramm jeder Feier buchen kann – wenn man auf Playback-Gedudel steht
Am Wochenende haben wir wieder wie jedes Jahr auf dem Polizeiball in D. auf dem platten Land gespielt, und die sind wieder völlig drauf abgegangen auf diese Schlagernummern. Das fand ich wieder so erschreckend. Dass Leute auf Schlager stehen ist ja okay, aber bei uns ist das alles Playback, das kommt alles aus‘m Computer, wir spielen nur die Instrumente drauf. Der „Boss“ ist Keyboarder und die sind ja oft so drauf, dass die viel mit Technik rumbasteln. Da kann man dann nicht mehr improvisieren, die Songs sind tot, durchgehend eine Geschwindigkeit.
Aber die Leute merken nichts und lassen sich immer von der Lichtanlage und den Nebelmaschinen blenden. Gott sei Dank ist jetzt eine Nebelmaschine kaputtgegangen, das ist auch immer fürchterlich, in jedem Stück wird damit rumgenudelt, und manchmal kann ich nicht mehr singen vor Husten. Das Programm ist auf so ein Dorfpublikum zugeschnitten, um das mal ganz blöd auszudrücken, aber die stellen halt nicht so hohe Ansprüche.
Wir spielen alles von grüner bis goldener Hochzeit, oder so sechzigste und siebzigste Geburtstage. Bei den Älteren ist die Stimmung am besten, die saufen mehr und fahren auf diese ganz billigen Nummern ab. Die Jüngeren beschweren sich auch mal und fragen: „Habt ihr gar keine aktuellen Stücke?“ Aber 90 Prozent ihrer Wünsche können wir ohnehin nicht spielen, weil wir die nicht im Computer haben.
Wenn es nicht läuft, die Leute stumpf sitzen bleiben und partout niemand tanzen will, muss man auch mal so ’ne Polonäse machen. Oder es geht einer runter von der Bühne, mit dem Funkmikro, und bringt unten die Leute dazu, mitzumachen und aufzustehen. Man besabbelt die halt. Ganz beliebt ist auch Damenwahl. Erfahrungsgemäß klappt das sowieso am besten, wenn die Frauen das in die Hand nehmen.
Ich mach das halt wegen des Geldes. Das ist ein gutbezahlter Nebenjob. Wenn ich kellnern gehe, kann ich nicht mal eben in einer Nacht 150 bis 200 Euro mit nach Hause nehmen. Silvester kann man richtig Asche machen, gerade wenn man sich nicht Monate vorher sondern erst kurz davor buchen lässt. Wenn ’ner Stadthalle kurzfristig die Band abspringt, dann sind die auch mal bereit, 10.000 Euro auf den Tisch zu legen.
Normalerweise spielen wir von 21 bis 3 Uhr nachts, manchmal gibt’s auch ’ne Verlängerung bis vier oder fünf, je nachdem wie betrunken die sind. Ordinäre Anmachen gibt es auch. Je höher der Alkoholpegel, desto dreister werden die. Das ist manchmal schon echt eklig, wenn die in Pausen so nah rankommen und dir ins Ohr sabbeln und nach Alkohol stinken. Ich selber trinke nie, das würde alles noch schlimmer machen, weil das meinen Gesang beeinträchtigen würde, und ich habe schon den Anspruch an mich, dass ich trotz der bescheuerten Umstände ein gutes Programm abliefere.
PROTOKOLL: Eiken Bruhn
Nachtrag: L. hat mittlerweile das Handtuch geworfen und macht jetzt nur noch Musik, für die sie sich nicht schämen muss. Beim nächsten Polizeiball in D. kommt vielleicht auch der Gesang aus dem Computer.
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