: Göttlicher Beistand garantiert
Die 11. Vattenfall Lesetage gelten als Norddeutschlands größtes Literaturfestival: An acht Tagen im April werden 138 Veranstaltungen an über 80 Orten in Hamburg stattfinden. Das Programm ist prominent bestückt und kann sich sehen lassen
von ILKA KREUTZTRÄGER
Sie ist 26 Meter lang, sieben Meter breit und seit einem Jahr hübsch hellblau. 150 Menschen finden hier Platz und sie unterscheidet sich durch Glockentürmchen, Kreuz, Altar und Orgel von den anderen Schiffen, die unweit der Hamburger Speicherstadt auf der Elbe dümpeln. Die Rede ist von Deutschlands einziger Flussschifferkirche, der Barkasse „Johann Hinrich Wichern“.
In der Flussschifferkirche wird normalerweise geheiratet, getauft oder einem Pfarrer beim Gottesdienst zugehört. Am 21. April aber wird es an Bord eher unchristlich zugehen, denn dann dreht sich einen Abend lang alles um die Mafia, die ihre Fühler längst nach Deutschland ausgestreckt hat. Die seit 20 Jahren in Venedig lebende Autorin Petra Reski liest im Rahmen der Vattenfall Lesetage aus ihrem Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“, in dem sie die skrupellose Verbrecherorganisation und ihre schmutzigen Geschäfte beschreibt. Ein bisschen göttlicher Beistand wird bei diesem Thema sicher nicht schaden (Kajen/Hohebrücke, 19 Uhr).
Zum elften Mal finden in diesem Jahr in Hamburg die Vattenfall Lesetage statt. Vom 16. bis zum 23. April wird an mehr als 80 verschiedenen Orten in der Stadt auf 138 Veranstaltungen gelesen, zugehört und mitgemacht. Damit sind die Lesetage eines der größten privatwirtschaftlich finanzierten Literaturfestivals Norddeutschlands.
In diesem Jahr präsentieren die Organisatoren sieben verschiedene Reihen. Die Reihe „Weltgeschichten“ bringt Autoren aus Island, Norwegen, Argentinien, Spanien, Rumänien, Holland, Großbritannien, Österreich und dem Elsass. Die Generation der 25- bis Enddreißigjährigen betrachtet in der Reihe „Junge Kosmopoliten“ die globalisierte Welt, ferner gibt es die Reihen „Kinder“ und „Jugendliche“, „Bildergeschichten“, „Krimi“ sowie „Hinter den Kulissen“.
Der Schwerpunkt des Festivals, zu dem im vergangenen Jahr rund 15.000 Besucher kamen, liegt auf der Reihe „Hinter den Kulissen“: Publizisten und Wissenschaftler setzen sich in Lesungen und Vorträgen mit Themen wie Superwahljahr, Finanzkrise, 60 Jahre Staatsgründung, Nahost-Konflikt, Soziologie der Städte, deutsche Einheit oder besagten Mafia-Aktivitäten in Deutschland auseinander.
Ein besonderer Fokus liegt auch auf der Reihe „Bildergeschichten“, die sich mit Comics, Graphic Novels und Cartoons beschäftigt. Einer der Stars der Szene, der jüdisch-amerikanische Comiczeichner Ben Katchor aus New York, der sich wie kaum ein anderer darauf versteht, seine immer etwas kantig gezeichneten Protagonisten auf dem Papier lebendig werden zu lassen, wird auch da sein. Er hält einen Vortrag, der auf seinem im Frühsommer auf deutsch erscheinenden Buch „Der Jude von New York“ basiert. Das verspricht ein großer Abend zu werden, tritt Katchor doch den Beweis an, dass Comics die wahren Vermittler von Geschichtsbewusstsein sind. Der Vortrag „Halftone Printing in the Yiddish Press and Other Objects of Idol Worship“ beginnt am 22. April um 19 Uhr im Kulturgut Gaußstraße.
Ohne Krimi kommt natürlich auch das Vattenfall-Festival nicht aus: In diesem Jahr kommt mit Stella Rimington die erste Frau, die dem britischen Inlandsgeheimdienst MI5 vorstand. Heute schreibt sie Krimis und liest in der Ree Location im Heizwerk aus ihrem Roman „Beutezug“ (20. April, Anton-Ree-Weg 50, 19 Uhr).
Das nächste kriminalistische Highlight steht zwei Tage später auf dem Programm. Die schottische Bestsellerautorin Val McDermid liest am 22. April aus ihrem neuen Buch „Nacht unter Tag“ im Hanse Merkur-Gebäude (Siegfried-Wedells-Platz 1, 19 Uhr). Schade nur, dass die große Dame des britischen Krimis an einem so belanglosen Ort lesen muss. Aber es können ja nicht alle in einer schwimmenden Kirche auftreten.
Vattenfall Lesetage: Vom 16. bis zum 23. April in Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen