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Schadenersatz für Lauschangriff

Bauernfamilie wird entschädigt, weil sie eineinhalb Jahre rechtswidrig abgehört wurde

FREIBURG taz ■ Erstmals hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach einen rechtswidrigen Lauschangriff den Betroffenen Schadenersatz zugesprochen. Bezahlen muss das Land Baden-Württemberg, das 1996 und 1997 eine Bauernfamilie zwanzig Monate lang abhören ließ.

Hintergrund des Prozesses ist eine rätselhafte Brandserie in Horben bei Freiburg. Von 1992 bis 1995 brannte es zehnmal in dem Schwarzwalddorf, davon fünfmal im Ignatzhof der Familie Rees, die bald in Verdacht geriet, selbst das Feuer gelegt zu haben. Jungbauer Albert Thomas Rees wurde sogar sechs Wochen in U-Haft genommen. Der Verdacht konnte später aber nicht erhärtet werden, eine Anklage gegen Rees junior ließ das Landgericht Freiburg 1998 erst gar nicht zur Verhandlung zu. Seitdem hatten die Gerichte bereits festgestellt, dass sowohl die Installierung einer Wanze im Bauernhof wie auch die Untersuchungshaft rechtswidrig waren.

Vor dem Bundesgerichtshof ging es nun nur noch darum, ob das Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft so schwerwiegend war, dass das Land dafür Schadenersatz bezahlen muss. Wie der BGH gestern erstmals entschied, muss ein unzulässiger Lauschangriff finanziell ausgeglichen werden – jedenfalls wenn das Abhören mehr als eineinhalb Jahre dauert. Albert Thomas Rees hatte am Rande des Prozesses erklärt, dass die Familie heute noch verunsichert ist. „Man ist sich ja nie ganz sicher“, so Rees, „ob man vielleicht doch noch abgehört wird.“

Der Anwalt des Landes, Wendt Nassall, meinte dagegen, dass eine Abhörmaßnahme kein allzu großer Eingriff sei. „Solange die Maßnahme läuft, wissen die Betroffenen ja gar nichts davon“, so sein Argument. Der BGH sah dagegen angesichts der Dauer der Lauschaktion durchaus eine „schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts“. Die Installierung der Wanze war auf das baden-württembergische Polizeigesetz gestützt worden, da es 1996 den „großen Lauschangriff“ zur Strafverfolgung noch nicht gab.

Eine „unmittelbar bevorstehenden“ Gefahr lag damals aber nicht vor. Deshalb war die Aktion rechtswidrig. Auch für die erlittene Untersuchungshaft gibt es Schadenersatz, weil die Staatsanwaltschaft dem Haftrichter entlastende Zeugenaussagen vorenthielt. Über die Höhe des Schadenersatzes müssen die Gerichte nun in einem neuen Verfahren entscheiden (Az.: III ZR 9/03).

CHRISTIAN RATH

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