piwik no script img

Blond wie Haschischraucher

Arabische Woche der Wahrheit: Der arabische Witz ist überhaupt nicht witzig

Meistens gehen sie auf Kosten von Haschischrauchern und Sa’idis, den Oberägyptern, und entsprechen somit unseren Blondinen- und Ostfriesenwitzen. Manchmal sogar wörtlich, was darauf hindeutet, dass sie entweder, dabei einem uralten Handelsstrom folgend, ursprünglich in Arabien entstanden sind oder, dem jetzigen Mainstream der Medien- und Informationsgesellschaft entsprechend, umgekehrt von hier nach dort gelangten. Für den ersteren Verlauf spricht, dass der Witz (Noukta) bei den einst kriegerischen Nomaden die Bedeutung von „durchbohren“ hat, während er hier von solchen Humorblättern wie dem Playboy und der Bild-Zeitung honoriert wird.

Der bekannte arabische Philologe Dr. Abdelhamid Hussein kommt deswegen in seinem kürzlich auf Deutsch erschienenen Buch darüber zu dem, allerdings in Deutschland ebenfalls sattsam bekannten Schluss:

„Der Witz ist die Waffe des einfachen Menschen … Schon ein Schmunzeln kann eine triste Situation verändern.“ Die ungeheure „Stärke“ des Witzes liege in seiner Anonymität, die schon fast an Sabotage grenze. Schon Präsident Nasser habe deshalb in seiner berühmten Rede während des Sechstagekrieges 1967 das Volk gebeten, keine Witze über die ägyptische Armee zu machen. Das ist selber ein guter Witz. Andere lauten so:

„Ein Ägypter fragte seinen arbeitslosen Freund: ‚Wovon lebst du?‘, und der antwortet: ‚Ich lebe vom Schreiben.‘ Weiter wird er gefragt: ‚Und was schreibst du?‘ Der Freund: ‚Ich schreibe meinem Bruder in Dubai, damit er mir Geld schickt.‘“

„Ein Haschischraucher bekommt sein Gehalt. Er sitzt zu Hause und teilt sein Geld für den nächsten Monat ein. 50 Pfund für Essen, 10 für Strom, 50 für die Miete und 20 Pfund für Haschisch. Da klopft es: ‚Polizei, mach die Tür auf!‘ Der Haschischraucher nimmt hastig die 20 Pfund und verschluckt sie.“

„Ein deutscher Minister hat einen arabischen Kollegen zu einem Privatbesuch auf sein Schloss eingeladen. Das Schloss ist prachtvoll und riesengroß. Davor gibt es einen großen Garten mit vielen Blumen und einem Brunnen in der Mitte. Der arabische Minister ist beeindruckt und fragt: ‚Wie kannst du dir so ein tolles Schloss leisten?‘ Der deutsche Minister macht das Fenster auf: ‚Siehst du diese Brücke da drüben?‘ – ‚Ja!‘ antwortet der Araber. ‚Diese Brücke hat 100 Millionen Euro gekostet, aber gebaut haben wir sie mit nur 80 Millionen‘. Der arabische Minister schmunzelt verstehend. Nach zwei Jahren kommt es zum Gegenbesuch. Der deutsche Minister ist überrascht, dass das Schloss des Arabers noch viel prachtvoller und größer ist als seines. Es ist von weiten Gärten umgeben, und der Minister hat viele Dienstboten im Haus. Er fragt: ‚Wie konntest du so ein Meisterwerk bauen?‘ Der arabische Minister öffnet das Fenster und fragt: ‚Siehst du die Brücke dort?‘ ‚Aber da ist doch gar keine Brücke‘, antwortet der Deutsche. Da lächelt der Araber: ‚Dafür hat sie auch nur 80 Millionen Euro gekostet.‘“

Dieser Witz legt nahe, dass die Unsitte der Unterschlagung staatlicher Gelder bzw. Eurokredite von Deutschland nach Arabien gewandert ist. Bestätigt wird dies durch das Wirtschaftsamt (des Bundesministeriums für Wirtschaft), das noch bis in die späten Siebzigerjahre allen Exporteuren Broschüren an die Hand gab, in denen genau aufgelistet war, mit wie viel Bakschisch sie in welchem Land rechnen müssten, um gegenüber anderen Anbietern im Vorteil zu sein.

Unter arabischen Geschäftsleuten kursierte lange Zeit eine übersetzte Fassung davon – mit dem lehrbuchartigen Titel „Exportweltmeister Deutschland – Erfolg durch Know-how“.

HELMUT HÖGE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen