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DIE DEUTSCHE PANZEROFFERTE BRINGT DIE TÜRKEI ERST AUF DIE IDEEEin unmoralisches Angebot

Verteidigungsminister Peter Struck konnte den Türkeibericht der EU-Kommission vom 6. Oktober offenbar kaum abwarten. Wenn mit Ankara Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können, warum dann nicht auch Waffen liefern? So legte er seinen Panzerdeal auf den Tisch mit der Begründung, es müsse nun doch einen „Bewusstseinswandel“ bei den Gegnern solcher Waffenlieferungen an das Land geben.

Der Haken an der Sache ist bloß: Ankara will gar keine Panzer mehr aus deutscher Produktion. Nachdem die Türkei in den 1990ern während der heißen Phase des Kampfes gegen die kurdische PKK um den technisch modernsten deutschen Panzer, den Leopard-II, bat und dabei Absagen erhielt, hat sie das Ansinnen längst aufgegeben.

Das Argument vor allem der Grünen gegen solche Waffenlieferungen war damals, dass sie „gegen die Kurden“ verwendet werden könnten. Seit der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan ist der bewaffnete Kampf der kurdischen Guerilla inzwischen deutlich abgeflaut, auch wenn die Splittergruppe Kongragel noch weiter gegen Ankara zu Felde zieht. Doch nicht zuletzt durch die jüngsten Reformen in der Türkei ist die Kurdenfrage auf dem Weg zu einer nichtmilitärischen Lösung.

Beim letzten Besuch der deutschen Menschenrechtsdelegation, angeführt von Claudia Roth, sagte Ministerpräsident Tayyip Erdogan noch: „Die Türkei hat kein Geld mehr für neue Waffen.“ Wenn seine Regierung jetzt dem deutschen Panzerangebot entgegenkäme, dann nur um die Deutschen nicht zu verprellen und sich auf dem EU-Gipfel im Dezember deren positives Votum für ihre Beitrittsverhandlungen zu sichern.

Das aber wäre eine fatale Entscheidung angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten in der Türkei, die sich gerade „zivilisiert“. Sie braucht Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, Arbeitsplätze, Eisenbahnen, Stadtsanierung – alles Dinge, die viele Türken mit dem positiven Wirken der Europäischen Union verbinden. Einen Persilschein in Form von modernster Waffentechnologie braucht sie nicht. DILEK ZAPTÇIOGLU

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