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berlin buch boomUnser Hotte: „Horst Buchholz. Sein Leben in Bildern“

Dieses Buch ist ein Buch der Liebe. „Horst Buchholz. Sein Leben in Bildern“ wird herausgegeben von seiner Gattin Myriam Bru und den beiden gemeinsamen Kindern Christopher und Beatrice Buchholz. Doch die Mehrheit der Bilder ist nicht privat; man sieht den im März dieses Jahres an den Folgen einer Lungenentzündung verstorbenen Buchholz vor allem in Filmstills und auf Probenfotos. Trotz dieser größtenteils unpersönlichen Fotos gibt sich der begleitende Text sehr vertraut: Buchholz, den viele seiner Fans etwas derb „Hotte“ nannten, wird in diesem Buch immer Horst genannt, so als ob Witwe und Kinder uns eine intime Geschichte erzählen wollten.

Man sieht Buchholz etwa als Kinderdarsteller auf einem ganz offensichtlich bestellten Theaterfoto von 1948 und liest dazu: „Als für Horst die Schule wieder begann, begann auch seine ‚Karriere‘ als Schauspieler. Seine erste ‚Bühnenerfahrung‘ sammelte er bei einer Schulaufführung von ‚Kabale und Liebe‘. Im Jahr darauf spielte er im Metropol-Theater als Kinderstatist im ‚Dreimäderlhaus‘ von Robert Berté für drei Mark Gage pro Abend.“ Die Anführungszeichen und der Tonfall erinnern an Texte aus einer gut gemachten Hochzeitszeitung, man darf folglich davon ausgehen, dass kein Ghostwriter der Familie das Schreiben abgenommen hat.

Dieses Buch der Liebe ist aber auch ein Buch der Verehrung. Wie könnte es anders sein, wenn die Produktion dieses Buches ganz offensichtlich in einen Zeitraum fiel, in dem die Familie noch stark getrauert haben dürfte – es werden beim Sichten der Bilder eine Menge Tränen vergossen worden sein.

Weil es so notwendigerweise auch ein Buch der Verklärung geworden ist, liegt sein Fokus vor allem auf der Entwicklung des Berliner Jungen zum Weltstar. Buchholzens Erfolg bestand zunächst in seiner großen Jugendlichkeit, die sein zum Teil sehr heftiges, gestenreiches Schauspielern legitimierte und ihn in Filmen wie „Die Halbstarken“, „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, „Montpi“ oder in „Die glorreichen Sieben“ zu Weltruhm führte. Die Filmfotos und Presseaufnahmen aus dieser Zeit zeigen einen jungen, sehr hübschen Mann, der vom Erfolg derart überrannt worden ist, dass er nicht in entsprechender Geschwindigkeit wachsen konnte. So wurde der große Schauspieler, der Buchholz zweifellos war, auf eine Rolle festgelegt, gewisse andere Nuancen seines schauspielerischen Könnens blieben unbeachtet. Er wurde zum „deutschen James Dean“ stilisiert, eine Affäre mit Romy Schneider wurde ihm nachgesagt, er sollte Teil eines „Traumpaares“ werden. Doch er heiratete die Französin Myriam Bru, verfolgte eine internationale Karriere und blieb Deutschland lang fern.

Seine Rückkehr nach Deutschland war ein Eingeständnis – der gealterte Star war für die internationale Filmindustrie nicht mehr so gut zu verwerten, für die billigen Produktionen war er zu gut. In Deutschland spielte er in einigen „Derrick“-Folgen mit und moderierte die peinliche „Astro-Show“. Nur selten war er als Schauspieler noch einmal wirklich gefordert wie etwa in „In weiter Ferne, so nah!“ und in „Das Leben ist schön“.

Gerade weil das Buch die Waage zwischen intimem Einblick und Verklärung hält, ist es schön. Es zeigt einen Berliner, der sich nicht beschränken wollte und dessen Talent groß war, und es zeigt auch, dass es in Deutschland keine Art und Weise gibt, mit einem Weltstar umzugehen: Man holt ihn von der großen Leinwand, zerrt ihn von der Bühne und stopft ihn ins Fernsehen. Das ist traurig.

JÖRG SUNDERMEIER

Myriam Bru, Beatrice Buchholz, Christopher Buchholz: „Horst Buchholz“. Henschel Verlag, Berlin 2003, 192 Seiten, 29,90 €

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