Yukos beschlagnahmt: Das Ende von Glasnost
Nun ist es amtlich. Mit der Beschlagnahmung des Aktienkapitals des Mehrheitseigners des russischen Ölgiganten Yukos hat die russische Generalstaatsanwaltschaft gestern das Ende des Experiments besiegelt, mit dem Generalsekretär Michail Gorbatschow die Welt 1985 in Staunen versetzt hatte. Perestroika und Glasnost standen für die Öffnung des lahmenden Dinosauriers Sowjetunion gen Westen.
Kommentarvon KLAUS-HELGE DONATH
Geheimdienstler Wladimir Putin machte gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft vor drei Jahren klar, dass ihm innenpolitisch an einer offenen Gesellschaft nichts liegt. Nun kehrt Russland unter der Ägide dieses jung wirkenden Präsidenten in die Vergangenheit zurück. Rechtsstaat und Demokratie, steht zu befürchten, sind für die nächsten zwei Amtsperioden ad acta gelegt. Das Riesenreich wird es schwer haben, danach noch einmal Anschluss an die entwickelte westliche Welt zu finden.
Doch um das Wohl des Volkes geht es den flammenden Patrioten und grauen Saubermännern aus den Geheimdienststrukturen aber sowieso nicht. Je lauter sie die Hymne an Mütterchen Russland pfeifen, desto verräterischer klingt sie.
Am 7. November jährt sich der Jahrestag der bolschewistischen Revolution zum 85. Mal. Bis dahin, scheint es, wollen die vereinten Sicherheitskräfte im Umkreis des Kreml klar Schiff machen. Wie damals dreht sich alles um die Eigentumsverhältnisse, nur sollten jene in den Volksbesitz überführt werden. Das Vorgehen gegen die Superreichen heute wird denn vom Volk auch begrüßt. Nur ist der Durchschnittsbürger der Letzte, der davon profitiert. Die Goldfinger des wilden Kapitalismus der 90er-Jahre werden zwar abserviert, an ihre Stelle treten indes die grauen Gestalten der Putin-Nomenklatura.
Unter dem Banner des Staatskapitalismus werden sie sich hemmungslos die Taschen füllen und Land und Volk zielstrebig in den Ruin führen. Denn sie haben keine unternehmerische Erfahrung und streben auch gar nicht danach. Ihre soziale Kompetenz beschränkt sich auf das Beherrschen byzantinischer Bücklinge. Wer jetzt noch an Putins demokratische Diskurslyrik glaubt, ist ein Tor.
Die Entscheidung gegen Yukos, von der auch ausländisches Kapital betroffen ist, führt dem Westen drastisch vor Augen, dass er als Investitionsmotor nicht erwünscht ist. Moskau kehrt in die Isolation und das Elend einer geschlossenen Gesellschaft zurück.
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