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Todesanzeigen für Bücher

Weil der Niedergang der Berliner Bibliotheken unaufhaltsam scheint, versuchen sie per Fusion ihrer Finanzkrise beizukommen – und verlieren trotzdem Leser. Ein Blick hinter die Ausleihe und die Regale

VON FRIEDERIKE KRIEGER

Auch wenn man die Zeichnung vom Sensenmann auf der Startseite der Homepage hinter sich lässt, bleibt die Sache todernst. Ein schwarz umrandetes Rechteck folgt dem nächsten. Ganz links in jedem Feld in dezentes weißes Kreuz auf grauem Grund, daneben die Schrift. Der Scrollbalken ist verdammt lang. An die 170 Todesanzeigen sind es insgesamt. Doch hier trauert man nicht um Menschen, sondern um Bibliotheken. Die Nachrufe sind entsprechend nüchtern. Wie zum Beispiel der auf die Kiezbibliothek in Pankow, die am 1. April 2004 geschlossen wurde, 5.000 Medieneinheiten hinterlässt und am Sparen gestorben sei. Auf der Seite www.biblio thekssterben.de, die auf den Niedergang des Buchverleihs hinweisen will, ist Berlin zurzeit mit 25 Anzeigen vertreten. Tendenz steigend.

Ende dieses Jahres kann sich auch die Stadtteilbibliothek in der Pistoriusstraße in Weißensee dazugesellen. Wie viele andere Bibliotheken in Berlin fusioniert sie mit Zweigstellen, um wirtschaftlicher zu sein. „Wir haben dann endlich Kinder- und Erwachsenenbibliothek unter einem Dach“, sagt Leiterin Angelika Breuer. Wirklich überzeugt von der Aktion scheint sie nicht zu sein, obwohl ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Sie fürchtet um Leserschaft und um Tradition.

Gerade hat sie eine Gruppe Senioren wie jede Woche mit Büchern für das Wochenende ausgestattet. Ihr Blick schweift durch den Raum. Rund 30.000 Bücher, zum Teil schon ein wenig ramponiert, reihen sich auf billigen Holzregalen aneinander. So gut wie jeder Winkel in den zwei Etagen der Bibliothek ist voll gestellt. Neben der Ausgabetheke hängt eine eingerahmte vergilbte Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigt das rot verklinkerte Wasserwerk, in dessen Pumphaus sich die Bibliothek befindet. „Hier ist schon immer eine Bibliothek gewesen“, sagt Breuer. Was folgen soll, weiß sie nicht.

Am anderen Ende der Stadt hat man sich schon mehr oder weniger gesund fusioniert. Die Stadtteilbibliothek Lichtenrade, in der zwei Bibliotheken aufgegangen sind, ist erst im Februar 2003 in die frisch renovierten Räume in der Briesingstraße gezogen: viel Platz, großzügige Leseecken und Regale aus Metall. Natürlich nicht in der Kinderabteilung. Dort macht eine Holzlok das Regal. „Freundlichkeit und Helligkeit, das ist für eine Bibliothek wichtig“, erklärt Leiterin Edith Egenter.

Bücher sind es natürlich auch, nur davon gibt es zu wenig. Wegen Etatkürzungen wird die Bibliothek ab nächstem Jahr keine neuen Medien mehr kaufen können. Versuche, dem beizukommen, kann man am Eingang begutachten: Dort sind die neusten Bestseller aufgereiht. Wer einen davon ausleihen will, muss 2,50 Euro extra zahlen – und finanziert so den Ankauf. Ein paar Schritte weiter ist das Büchertrödelregal. Zwei Computer konnte die Bibliotheken aus dem Verkauf verschlissener Bücher finanzieren – doch für mehr reicht es nicht.

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