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Graf Scherenheini

Neue Serie: Wie immer, Frau Merkle? Heute: Chef Udo hat keine Zeit. Er schickt Herrn Giovanni. Damit ist der Eklat da

Wenn Angela Merkle den exquisiten Friseursalon Waltz betritt, ist immer große Aufregung. Schließlich ist sie die Oppositionsführerin. Frau Oppositionsführerin wird zu „ihrem“ Haarschneidesessel geleitet, ihre Bodyguards legen die kugelsicheren Westen ab und müssen mit Illustrierten versorgt werden, ein ehemaliger Akademiker (Biochemie mit Abschluss) wäscht ihr die Haare.

Es ist alles bereit, der Starfriseur Udo könnte also kommen. Es kommt aber ein italienisch aussehender Mensch mit Designerbrille, der Frau Merkle in die Haare fasst.

Merkle (streng): Weg da! Wat woll’n Sie denn?

Giovanni (zickig wegspringend): Uuuuch! Skuusiii! Sennajoora Märkele – Siinejoore e Walzze att e mir angeschafft, io solle makken ihnen Aaare!

Merkle (angewidert): Biitte? Sie? An meine Haare kommt mir nich ijentein Scherenheini. Ich bin ja nich Kreti und Pletiii. Udoooo!

Giovanni (beschwichtigend): Prägoo Sennajoora Märkele. Ick bin ä niggd Kreti und a Pleti. Sono Tschowaanii di San Loreenzo. Ick binne aine Welt a Meister in a Aare maggen und eine Graaf in Originaal.

Merkle (richtig baff): Ein Graf? Wieso müssense dann Haare schnei’n?

Giovanni (bedrückt): Ick a bin a aine Graffe ohne Geeld …

Merkle (roh): Alta Plissierad’l was? Schlimm für sie. Trotzdem: ick will ’n Chef. Udoooo!

Giovanni (halblaut): Skuuusiii Sennajoora Märkele, aba: Siinejoore e Walzze att e andere ä Kundeschaffte …

Merkle (hohl): Andere Kundschaft? Wenn ich da bin?

Giovanni (bedeutend flüsternd): Ä wiggtige ä Kundeschaffte …

Merkle (tief Atem holend): Doch nich etwa …

Giovanni (sehr bedeutsam nickend): Ärre a Bohlän. Mussa eine Färbung maggen.

Merkle (erleichtert): Ach der … na ja, muss auch sein.

Giovanni (erleichtert Schweiß abwischend): Ganz a riggdig, Siinajoora Märkele. Gaanz a riggdig!

Merkle (leutselig): Na! Dann wollma aba mal. Dann legen Sie mal los, Herr Tschowanni.

Giovanni (sehr fachmännisch): Vielleigd mal a eine ganza andere Schanitt? Eine Abawägsalung?

Merkle (frisch): Natürlich. Warum denn nicht? Was Jugendliches? Ich bin heute so richtig gut jelaunt!

Giovanni (richtig euphorisch Merkles Haar zausend): Maggen eine Schanitt a mitt a Scheitel?

Merkle (Finger an Nase): Scheitel? Nee, nee. Dett lass ma mal lieba, Herr Tschowanni. Ich finde Haare gehörn im Prinzip nach vorn. Das is jugendlich. Nich?

Giovanni (ernüchtert): Si, si. Aare nagg a vorne … (scheu) vielleicht a Staränchen?

Merkle (nur kurz grübelnd): Strähnchen? Nee – also, klassisch blond. Das ist wahre Jugendlichkeit. Finden Se nich?

Giovanni (matt): Bella bionda. Si, si, Siinnajoora Märkele. Unda wie maggen Schanitt?

Merkle (eifrig aufzeigend): Ich weiß! (zeigt’s) Schön nach vorne. Jugendlich. Und schlicht un einfach quergeschnitt’n. Klassische Linie e’hmt.

Giovanni (schlaff): Wie Vora’angge …

Merkle (erregt): Vorhangschnitt. Genau. Das lassen wir uns patentieren. Sie sind mein Mann. Los geht’s Herr Tschowanni!

Giovanni (resigniert): Grazie.

ALBERT HEFELE erfreute die taz-LeserInnen zuletzt mit der unregelmäßigen Serie „Hannelore, Ülgün und die Bubb’m – the next Generation“. Die neue Serie erscheint unregelmäßig. Eigentlich ist Hefele Ergotherapeut.

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