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Lernort Kino

Kanon der Bundeszentrale für politische Bildung soll Schüler in Filmgeschichte fit machen. Mit „Citizen Kane“ startet das Abaton heute die Präsentation einiger Werke im Rahmen der Reihe „play it again“

von ECKHARD HASCHEN

Im März dieses Jahres hatten die Bundeszentrale für politische Bildung und die Filmförderungsanstalt in Berlin einen Kongress mit dem Titel „Kino macht Schule“ veranstaltet, bei dem die Frage diskutiert wurde, wie Film „als wesentliches Element unserer Kultur im Schulunterricht verankert“ werden könnte. Denn „obwohl das bewegte Bild das Leitmedium des 20. Jahrhunderts ist, findet es in den Schulen noch immer nicht die ihm angemessene Bedeutung, im Gegensatz zur Literatur“. Es wurde eine „Filmkompetenzerklärung“ verabschiedet, die unter anderem die Erstellung eines Filmkanons vorsah, mit dem die Schüler „erste Grundkenntnisse der Filmgeschichte erlangen“ sollen.

Seit Juli liegt dieser 35 Titel umfassende Kanon nun vor, zusammengestellt von einem 19-köpfigen Expertengremium, dem Volker Schlöndorff, Tom Tykwer, Ruth Thoma, Alfred Holighaus und Peter W. Jansen angehörten. Die Auswahl, bei der auf die „Eignung für den Einsatz im Unterricht“ geachtet wurde, deckt von Nosferatu bis Vertigo, von Rashomon bis Wo ist das Haus meines Freundes ein so breites Spektrum ab, wie das mit 35 Filmen eben möglich ist. Acht deutsche Filme sind dabei, ein Western, ein Zeichentrickfilm, Das Dschungelbuch, die Dokumentarfilme Nacht und Nebel und Shoah und sogar der Essayfilm Sans Soleil von Chris Marker. Die schmerzlichste Lücke ist vielleicht das Fehlen von Max Ophüls‘ Lola Montez, die größte Überraschung, dass kein Film von Ingmar Bergman dabei ist.

Zur Zeit sind Begleitmaterialien für den Unterricht in Arbeit (Film wird auch in der Lehrerausbildung bis heute vernachlässigt). Und in den nächsten Monaten stellt die in Abaton, 3001 und Zeise gezeigte Reihe „play it again“ die aus dem Kanon derzeit im Verleih befindlichen Werke vor.

Den Auftakt der Reihe bildet heute im Abaton Orson Welles‘ in wohl keinem Filmkanon der Welt fehlender Citizen Kane, der 2002 zum fünften Mal in Folge bei der Expertenumfrage der britischen Filmzeitschrift Sight and Sound vorne lag. In den Klassiker, der 1941 zugleich eine Summe und die kühne Vorwegnahme vieler filmästhetischer Innovationen darstellte, wird der Kritiker Hellmuth Karasek einführen. Dieser hatte Kane natürlich auch in Mein Kino, seinen 1995 als Buch erschienenen persönlichen Filmkanon aufgenommen. Vergleicht man diese 100 Titel mit dem neuen Kanon von 35, dann kommt man auf nur zehn Übereinstimmungen.

Überhaupt fällt – abgesehen von Filmen wie Panzerkreuzer Potemkin, der nächste Woche in der Reihe „play it again“ läuft –, auf, wie sehr sich die verschiedenen Filmkanons unterscheiden. So weist etwa die 100er Auswahl in Gilbert Adairs Buch Flickers (wie Karaseks Werk zum 100. Geburtstag des Kino erschienen) nur acht Übereinstimmungen mit diesem auf. Mit dem neuen Kanon stimmt Adair in fünf Fällen überein. Alle drei Listen überschneiden sich nur in zwei Titeln: Außer Atem und – Citizen Kane.

Man sieht also, wie wichtig die versprochene „Ergebnisoffenheit“ des Kanons ist. Zumal bei den neunziger Jahren fast jeder andere Filme nennt. Hätte man vielleicht Pulp Fiction und Chungking Express im Kanon erwartet oder Unforgiven und Schindlers Liste, die Karasek nennt, so dürfen die Schüler demnächst anhand von Ang Lees Der Eissturm, Atom Egoyans The Sweet Herafter und Pedro Almodovars Alles über meine Mutter etwas fürs Leben lernen.

heute, 20 Uhr, Abaton (mit Einführung von Hellmuth Karasek)

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