zwischen den rillen: Die unterschiedlichen Wege der HipHop-Intellektuellen
Während Mos Def auf seinem neuen Album das Experiment sucht, möchte Talib Kweli den großen Erfolg
Eigentlich hätten Mos Def und Talib Kweli ihre beiden neuen Platten auch zusammen herausbringen können. Jahrelang hatte man nichts von ihnen gehört, und dann erscheinen ihre Platten auf verbandelten Labels innerhalb von zehn Tagen. „The Beautiful New Danger Struggle“ hätte man dieses neue Album betiteln und unter dem Namen Black Star erscheinen lassen können, unter dem Mos Def und Kweli vor sechs Jahren ihr gemeinsames Debüt herausgebracht hatten, eine wunderbare Platte, die inmitten der Puffdaddysierung des HipHop eine ganz andere Richtung vorgab. Reaktivierten die beiden doch ein Rapmodell, das man verloren gegeben hatte: das des organischen Intellektuellen, des Teachers, desjenigen, dem es nicht nur um stilistische und formale Brillanz geht, sondern um Inhalte.
Nun sind seit Mos Defs Solo-Debüt „Black On Both Sides“ auch schon fünf Jahre vergangen, eine selbstmörderisch lange Zeit für einen Rapper, funktioniert ein so hochkompetitives Genre wie HipHop doch vor allem darüber, ständig präsent zu sein, gilt es doch die Güte der eigenen lyrischen Fähigkeiten fortwährend weiter zu behaupten und zu beweisen. Was neben der Pflicht, mindestens einmal im Jahr eine eigene Platte herauszubringen, auch bedeutet, ständig Gastauftritte bei den Kollegen und Mixtape-Raps einspielen zu müssen. Dass Mos Def nicht vergessen ist, liegt überhaupt nur daran, dass er eigentlich längst Schauspieler und kein Musiker mehr ist. Auf stolze 29 Kinofilm- und Fernsehserienauftritte hat er es mittlerweile gebracht und dürfte damit neben Queen Latifah der einzige Rapper sein, dem der Sprung nach Hollywood gelungen ist.
Dazu passt, dass „The New Danger“ alles mögliche, aber keine HipHop-Platte geworden ist. Zwar atmet sie irgendwo ganz unten in ihrer Tiefenstruktur noch ein HipHop-Gefühl, im Grunde bewegt sich Mos Def aber auf dem noch recht wenig kartografierten Gelände eines Rappers, der sich um die stilistischen Eingrenzungen nicht mehr kümmert – der schwarze Kontinent also, auf dem sich auch Cee-Lo Green und André3000 von Outkast herumtreiben. Wobei Mos Def die Formensprache seiner Musik erstaunlicherweise am überzeugendsten zum Blues hin öffnet und ein ganz eigenes Hybrid präsentiert. Mal lässt er sich aber auch von den Marching Bands der Straßenparaden inspirieren, und immer wieder singt Mos Def über ganz weit im Hintergrund kreisende Marvin-Gaye-Samples. Das ist fragil, gewagt und ergreifend.
Fatal wird es immer, wenn Mos Def glaubt, sich den Rock vom weißen Mann zurückholen zu müssen. Da hilft auch die ideologische Aufladung nichts – die Band heißt mit Black Jack Johnson nach dem ersten schwarzen Schwergewichtsboxweltmeister – und der Umstand, dass mit dem Funkadelic-Keyboarder Bernie Worrell und dem Bassisten Doug Wimbish höchst verdiente Black-Rock-Veteranen dabei sind. Die gelungenen Exemplare des Rap-Rock-Crossovers der letzten 100 Jahre kann man an einer Hand abzählen, Mos Def fügt dieser Liste keinen Titel hinzu. Aber auch das einzige lupenreine HipHop-Stück der Platte, „The Rape Over“, eine Version von und Antwort auf Jay-Zs „The Takeover“ ist kein wirkliches Ruhmesblatt, nicht nur wegen seines fragwürdigen Titels und seines Inhalts – weiße Schwule würden das Rapgeschäft ausbeuten. Ganz profan reimhandwerklich schmiert Mos Def im Vergleich mit Jay-Z doch deutlich ab.
Ganz anders Talib Kweli, der sich auf seinem neuen Album „The Beautiful Struggle“ zwar auch auf Jay-Z bezieht, indem er diesem mit den Zeilen „If lyrics sold, I’d probably be as rich and famous as Jay-Z“ das Kompliment von dessen letzter Platte zurückgibt. Doch wo Mos Def das Experiment sucht, geht Talib Kweli den umgekehrten Weg. Seit langem schon gilt er als der beste lebende Rapper, nun möchte er den Erfolg, der ihm zusteht. Dafür hat er all mit Just Blaze, den Neptunes und Kanye West all die teuren Produzenten eingekauft, die seinen Kollegen seit Jahren das siebenstellige Einkommen garantieren. Doch wenn Talib Kweli behauptet, „I don’t fuck with politics“ ist dies kein Kompromiss an den beabsichtigten Erfolg, eher eine strategisch eingesetzte Kleinlüge, um die gleichen Themen wie früher nun einem breiteren Publikum erzählen zu können.
Tatsächlich besteht genau hierin die große Kunst von „The Beautiful Struggle“: Kweli gelingt es, seine in Stein gemeißelten Lyrics über Armut und Warfare, HipHop und das Inner-City-Elend zu erzählen, ohne dabei aus jener Nische heraus zu sprechen, die gemeinhin für den HipHop-Intellektuellen bereitsteht. Anders als Mos Def, der sich als Schauspieler und Broadway-Star zu einer Figur des öffentlichen Lebens gemacht hat und mittlerweile schon durch Zeigen seines Gesichts eine Aussage macht. Talib Kweli gelingt mit „The Beautiful Struggle“ eine seltene Balance: Auf höchstem ästhetischem Niveau knowledge zu droppen und trotzdem viele Platten zu verkaufen. TOBIAS RAPP
Mos Def: „The New Danger“ (Interscope/Univeral); Talib Kweli: „The Beautiful Struggle“ (MCA/ Universal)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen