: Israel tötet Gazas „Raketenhirn“
Raketen aus israelischem Kampfhubschrauber treffen militanten palästinensischen Hamas-Führer Adnan al-Ghul. Die Antwort: Hamas-Raketenhagel auf Siedlungen. Israelische Kritiker fürchten Eskalation kurz vor Parlamentsvotum über Abzug aus Gaza
AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL
Wenige Tage vor der parlamentarischen Abstimmung über Israels Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen erreicht der Kampf zwischen der israelischen Armee und militanten Palästinensergruppen einen erneuten Höhepunkt. Adnan al-Ghul, Mitbegründer des militanten Hamas-Flügels und zusammen mit Mohammad Deif einer der von Israel meistgesuchten palästinensischen Terroristen, wurde in der Nacht zum Freitag per Raketenbeschuss getötet. Kampfhubschrauber feuerten auf seinen Wagen in Beith Lekhiya im nördlichen Gaza-Streifen und töteten ihn sowie seinen Stellvertreter Imad Abbas. Zwei weitere Palästinenser wurden verletzt, einer davon schwer. Die Hamas kündigte eine „schnelle und schmerzvolle Vergeltung“ an und feuerte noch in der gleichen Nacht 30 Mörserraketen auf jüdische Siedlungen im Gaza-Streifen ab. Tausende aufgebrachte Palästinenser versammelten sich am Ort des Tötungsanschlags.
Über zehn Jahre lang hatte Israels Verfolgungsjagd auf al-Ghul gedauert, der mindestens zwei Hinrichtungsversuchen entkam. Israelischen Informationen zufolge stand der 46-Jährige hinter mehreren schweren Selbstmordattentaten und war entscheidend an der Entwicklung der „Kassam“-Raketen beteiligt, mit der palästinensische Kämpfer israelisches Gebiet erreichen können. Al-Ghul sei zudem mit neuer Rüstungstechnik gegen Panzer und Hubschrauber beschäftigt gewesen.
Die israelische Armee nannte die gezielte Tötung eine der „wichtigsten Exekutionen“ der vergangenen Jahre. Gleichzeitig wurde die Sorge laut, dass die Aktion einen verschärften Raketenbeschuss auf Israel auslösen werde, vor allem auf die Kleinstadt Sderot wenige Kilometer nordöstlich vom Gaza-Streifen.
Die Operation ist vergleichbar mit der Tötung des als „Ingenieur“ berüchtigten Bombenbauers Yachije Ayyasch, der Anfang 1996 einer vom israelischen Geheimdienst in seinem Telefonhörer angebrachten Sprengstoffladung zum Opfer fiel. Seinen Tod rächte die Hamas mit einer ganzen Serie von Selbstmordattentaten in Israel.
Adnan al-Ghul, Vater von acht Kindern, hatte sich einen Großteil seiner Kenntnisse im Umgang im Sprengstoff und im Bombenbau in Syrien und im Libanon erworben. 1994 kam er zurück nach Gaza und stand seitdem unter dem Kommando von Issedin Subhi Scheich Chalil, der im vergangenen Monat in Damaskus von Israel ermordet wurde. Al-Ghul war unter anderem für die Waffenverteilung verantwortlich.
Die Tötung des „Gehirns der Kassam-Raketen“, so die israelische Tageszeitung Jediot Achronot, bedeutet „einen schweren moralischen Schlag für den militanten Hamas-Flügel“ und könne Palästinenserpräsident Jassir Arafat „dabei helfen, den Gaza-Streifen nach dem Abzug unter seine Kontrolle zu bringen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen