: Digital will besser sein
„Überall-Fernsehen“ in digitaler Qualität verspricht DVB-T, das am 8. November in Hamburg auf Sendung geht. Ab März sieht schwarz, wer nicht auf die neue Technik umsteigt – dann ist das analoge TV über Haus- oder Zimmerantenne Geschichte
von Alexander Diehl
Auch wer nur sporadisch den Fernseher einschaltet – und terrestrisch, also nicht über Kabel oder Satellit mit seinem Programm versorgt wird – dürfte es inzwischen mitbekommen haben: Seit einiger Zeit künden eingeblendete Lauftexte davon, dass der größere Teil der Programme, die den HamburgerInnen bisher über Haus- oder Zimmerantenne zur Verfügung standen, den herkömmlichen Betrieb einstellt.
Ab dem 8. November sind RTL, Sat 1, Hamburg 1 sowie – sofern zuvor überhaupt empfangen – Vox, 9 Live, N24 und MTV 2 Pop in Hamburg und dem näheren Umland nicht mehr wie bisher zu sehen, sondern nur noch in digitaler Variante über die neue Technik DVB-T (für „Digital Video Broadcasting – Terrestrial“). Dafür aber, so heißt es, auch unterwegs in allerbester Qualität.
„Digital ist besser“, sang vor zehn Jahren die Hamburger Band Tocotronic, und einstimmen würden da wohl heute die Projektpartner hinter der Umrüstung auf das „Überall-Fernsehen“ DVB-T: öffentlich-rechtliche und private Sender und die Landesmedienanstalten. Zum einen ist DVB-T technisch bedingt wirtschaftlicher als die analoge Verbreitung, weil weniger Sendeleistung vonnöten ist. Die vorhandenen Kanäle werden effizienter ausgenutzt: Wo zuvor ein analoges Programm Platz fand, werden bei DVB-T bis zu vier Programme in einem so genannten „Multiplex“ übertragen.
Bemerkenswert ist daran, dass DVB-T zu einer Verringerung der Strahlenemission, so genanntem Elektrosmog, führen dürfte – laut Angaben des NDR werden die gültigen Grenzwerte noch deutlicher unterschritten als das heute der Fall sei.
Zum anderen aber – und da dürften wir uns dem eigentlichen Motiv für die konkurrenzübergreifende Innovationsfreude nähern – sollen mittel- bis langfristig lukrative neue Angebote über das gute alte Fernsehgerät in der ZuschauerIn Wohnstuben – und nicht nur da – im Angebot sein: In den Broschüren der Projektpartner heißt das noch ein wenig verschämt, es würden „Datendienste und multimediale Anwendungen aus den Bereichen Information, Kultur und Unterhaltung ... zur Verfügung stehen“. Vollmundiger dagegen die Anbieter des interaktiven TV-Standards MHP: „Innovative Technologien wie die Multimedia-Home-Plattform (MHP) ermöglichen sogar den Zugang zum Internet – Home-Banking oder E-Shopping lassen sich demnächst ganz bequem vom Fernsehsessel aus erledigen.“
Vorerst könnte die Digitalisierung des Antennenfernsehens auch argumentative Munition liefern für die Berechtigung einer Rundfunkgebührenerhöhung – immerhin werden den ZuschauerInnen zunächst 24, mittelfristig 28 und langfristig bis zu 32 Programme bereitgestellt, ohne dass extra dafür bezahlt werden muss. Sieht man ab von der einmaligen Investition in die benötigten technischen Gerätschaften: Bei DVB-T werden die TV-Signale als komprimierte Datenpakete versendet, die erst wieder „rückübersetzt“ werden müssen, ehe sie auf herkömmlichen Geräten angesehen werden können.
Das werden irgendwann auch die TV-Geräte (oder was dann daraus geworden sein mag) selbst erledigen, vorerst werden die meisten FernsehzuschauerInnen wohl auf eine so genannte Set-Top-Box zurückgreifen: ein Zusatzgerät, das zwischen Antenne und TV-Gerät oder Video-Rekorder geschaltet wird. Erhältlich sind diese DVB-T-Dekoder ab etwa 70 Euro, je nach Ausstattung.
Während sich in Berlin/Brandenburg übrigens die dortige Landesmedienanstalt an der Unterstützung für sozial schwache Haushalte beteiligte, besteht bei der DVB-T-Einführung im Norden, so heißt es im Handbuch der Projektpartner, „Einigkeit darüber, dass es nicht möglich ist, DVB-T-Empfangsgeräte durch die Projektpartner zu finanzieren“.
Schwachen Trost mag Betroffenen spenden, dass sie, sofern vorhanden, ja ihre Kabelfernseh-Verträge kündigen können: Zwar bietet das digitale Kabelfernsehen neuerdings deutlich größere Programmvielfalt als DVB-T es jemals können dürfte – dafür ist so eine Set-Top-Box binnen weniger Monate ohne Kabelgebühr refinanziert.
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