KUNSTRUNDGANG: Dominikus Müller schaut sich in den Galerien Berlins um
Lange Jahre galt Artur Zmijewski als Enfant terrible der Videokunst. Er hat mit Behinderten gearbeitet, mit unheilbar Kranken, er hat Gehörlose Bachkantaten singen lassen, das berühmte Stanford-Prison-Experiment nachgestellt oder einen ehemaligen KZ-Insassen vor laufender Kamera dazu überredet, sich seine Häftlingsnummer noch einmal eintätowieren zu lassen. Das war immer nahe am Rande der Geschmacklosigkeit, oftmals auch weit darüber – und man war versucht, das schnell als gezielte Provokation abzutun. Und doch: In ihrem stoisch-ruhigen Kamerablick auf die düsteren Seiten des Lebens übte seine Auseinandersetzung mit Ideologie, Trauma und dem Ausgeschlossenen immer auch eine beunruhigende Faszination aus. Betritt man nun jedoch die DAAD-Galerie, in der seine neueste Arbeit „Democracies“ zu sehen ist, hat man den Eindruck, als sei Zmijewski fast ein wenig „brav“ geworden. In langer Reihe spielen sich auf Videomonitoren gleichzeitig diverse Szenen „politischer“ Meinungsäußerung ab. Zmijewski hat diesmal mit dokumentarischem Gestus einfach nur draufgehalten: Er hat Militärparaden und Frauenrechtler in Polen genauso begleitet wie Feierlichkeiten in Nordirland oder den Trauergottesdienst für Jörg Haider in Klagenfurt. Er zeigt Demonstrationen in Israel und im Westjordanland ebenso wie betrunkene Fußballfans auf der WM-Fanmeile in Berlin oder die volksfestartigen Gewaltausbrüche am 1. Mai in Kreuzberg. Die Tonspur aufgedreht bis zum Anschlag ergibt sich so eine wilde Kakofonie unterschiedlichster Auftritte im öffentlichen Raum, von durchstrukturierten Inszenierungen, spontanen Zusammenkünften und eingeschleiften Erinnerungsritualen. Doch die provokante Durchschlagskraft von Zmijewskis früheren Arbeiten – egal, was man von ihnen halten wollte – erreicht dieses Panoptikum leider nicht.
Artur Zmijewski: Democracies, bis 9. Mai, Mo.–Sa., 11–18 Uhr, DAAD-Galerie, Zimmerstraße 90/91
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