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Wo Politiker ins Gras beißen

Recherche-Profi Hans Leyendecker diskutiert mit Hans-Christian Ströbele über Sinn und Zweck von Untersuchungsausschüssen. Dass sie das nicht ohne Selbstlob schaffen, versteht sich von selbst

VON CHRISTINE KEILHOLZ

Ein Untersuchungsausschuss wird dann einberufen, wenn Politik und Führung vermutlich versagt haben. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befasste sich 1967 mit dem fragwürdigen Polizeieinsatz beim Schah-Besuchs. Zwei Ausschüsse untersuchten nach 1987 die Hintergründe zum Tod Uwe Barschels. Der Verkauf der Raffinerie Leuna und die CDU-Parteifinanzierung waren ebenfalls Gegenstände von Untersuchungsausschüssen.

Vor 75 Jahren gab es den ersten Ausschuss in Berlin, dazu fand sich am Montagabend eine erlesene Riege im Abgeordnetenhaus ein. Es galt, über „Anspruch, Realität und öffentliche Wirkung“ zu reden.

Kampfinstrument nannte der Journalist Hans Leyendecker, Süddeutsche Zeitung, ein solches Gremium. Er und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele waren sichtlich erfreut, aus Sicht von Protagonisten referieren zu können. Das Wesen des Ausschusses erschloss Politikwissenschaftler Jürgen Plöhn. Durch medienwirksame Aufklärungsarbeit habe ein Parlament die Chance, eine kritische Öffentlichkeit zu erreichen. Der Konsument politischer Skandale könne nur mit Neuigkeiten bei der Stange gehalten werden.

Diese regelmäßig zu liefern ist mühselig: Wenn Zeugen nicht reden wollen, ist dröges Aktenwälzen angesagt. Sind die Akten ergiebig, winkt am Ende die Sachaufklärung. Selten jedoch klare Wahrheitsfindung. Für Leyendecker, den großen Mann des deutschen Enthüllungsjournalismus, ist die Geschichte der parlamentarischen Ausschüsse auch die eigene Erfolgsgeschichte. Mit gelassenem Stolz ließ er nicht unerwähnt, selbst einige „herbeigeschrieben und begleitet“ zu haben. Mit seinem Glanzstück, dem Flick-Skandal, wird er auch nach 18 Jahren noch auf den Podien anmoderiert. Viele Ausschüsse seien nur zustande gekommen, weil Journalisten, in persona er selbst, den Stein ins Rollen gebracht hätten.

Wenn Leyendecker aus dem Nähkästchen plaudert, kann man förmlich den Schweiß riechen, den ihn der tägliche innerbetriebliche Kampf um Zeilen gekostet hat. „Der Journalist fühlt sich selten wirklich nah an der Enthüllung“, hat ihn die Erfahrung gelehrt. Noch seltener entfalten die Untersuchungen wirkliches Krimi-Format. Dazu brauche es schon eine Glücksfee, die im rechten Moment mit Tonbändern winkt, auf denen Richard Nixon unerhörte Aufträge erteilt. Entscheidend aber sei die sukzessive Entlarvung, die am Ende den Überführten „richtig dumm dastehen“ lässt.

Die Untersuchungsausschüsse, an denen er beteiligt war, seien besser als ihr Ruf, erklärte Ströbele. Bei dieser Arbeit habe er immer wieder Schwächen in der Gesetzgebung festgestellt. Gegenwärtig arbeitet er an einer Gesetzesvorlage, die genaue Verfahrensrichtlinien festlegen soll.

Kritisch anzumerken hatte Politologe Plöhn, dass Untersuchungsausschüsse anfänglich nur selten dem Zwecke der Aufklärung dienten. Vielmehr hätten sich oft radikale Fraktionen aus propagandistischen Belangen ihrer bemächtigt.

Wie schwer es ist, auf lange Sicht das Publikumsinteresse an staubtrockenen Diskussionen – nicht nur in Ausschüssen – wachzuhalten, zeigte sich gegen Ende. Da waren auf den hinteren Sitzen drei Leute eingenickt.

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