: „Man braucht Risikofreude“
Raus in die Puschen! Ein Gespräch mit dem Konzertveranstalter Andreas Oberschelp von der Booking-Agentur Puschen über Konzertpreise, Ausländersteuer und das erste Puschenfest im Club Magnet
von MARKUS VON SCHWERIN
taz: Herr Oberschelp, warum haben Sie sich entschieden, den Sitz Ihrer Ein-Mann-Booking-Agentur von Bielefeld nach Berlin zu verlegen?
Oberschelp: Als Booking-Agent ist man nicht abhängig vom Ort. Aber in Bielefeld habe ich irgendwann keine Perspektiven mehr gesehen. Mein Umfeld hat meist gar nicht verstanden, was ich denn da eigentlich so mache. In Berlin gibt es dagegen schon mehr Austauschmöglichkeiten.
Das gemeinsame Büro mit Ran Hubers „Am Start“-Agentur im Haus Schwarzenberg war da gleich ein guter Ausgangspunkt: So etwas bringt einen in der eigenen Arbeit einfach mehr voran.
Wie macht sich das konkret bemerkbar?
Mittlerweile sind noch drei weitere Booker hinzugekommen, die sich untereinander Tipps geben, etwa in der Wahl bestimmter Veranstaltungsorte. Oder man schaltet gemeinsame Anzeigen.
Wie groß ist Ihr Stamm an Interpreten und Bands?
Dieses so genannte Roster verändert sich ständig. Da ich sehr viel mit Gruppen aus Übersee zusammenarbeite, stehen diese meist nur einmal im Jahr für vielleicht sechs Konzerte in Deutschland zur Verfügung. Daher muss ich entsprechend mehr Veranstaltungen machen. Bisher habe ich mit nahezu hundert Bands zusammengearbeitet.
Inzwischen bin ich bei vielen Plattenlabels und ausländischen Agenturen bekannt genug, dass mir von dort aus direkt neue Sachen angeboten werden. Ich bin ja zudem für viele amerikanische Bands als Europa-Agent tätig und organisiere für sie auch Konzerte außerhalb Deutschlands. Das geht von Spanien bis in den hohen Norden, nach Skandinavien.
Wie verhält es sich bei Bands dieser Größenordnung mit der berüchtigten Ausländersteuer?
Das Problem stellt sich für uns nicht so massiv wie bei den großen Acts. Denn je geringer die Gage ist, desto weniger schlägt sich das in der Ausländersteuer nieder. Aber wenn die Rolling Stones spielen, liegt man natürlich etwas über dem Freibetrag. (lacht) Auf der anderen Seite ist die Ausländersteuer oft nur eine billige Ausrede, um die Preise zu erhöhen. Diese Steuer hat es ja schon vor der Euroumstellung gegeben, aber erst danach sind die Eintrittspreise rapide gestiegen. Es ist wohl so, dass vor zehn Jahren noch mehr Leute auf gut Glück in Konzerte gegangen sind. Und wenn der Eintrittspreis dann niedrig war, rechnete sich das am Ende wieder durch die hohe Besucherzahl.
Mit den 12 Euro für die sechs Bands, die heute auf dem ersten „Puschen-Festival“ im Club Magnet spielen werden, gehen Sie ja mit gutem Beispiel voran. Ist das aber nicht auch ein wenig riskant?
Natürlich, aber ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass es sich tragen wird. Es geht mir in diesem Fall auch nicht darum, große Gewinne zu machen. Das ist eher zukunftsorientiert, denn letztlich hilft es allen Beteiligten, wenn eine Band vor vielleicht 250 statt vor fünfzig Leuten spielt. Das könnte sich dann bei den kommenden Konzerten auszahlen.
Nach welchen Kriterien suchen Sie sich die Bands aus?
Mir geht es in erster Linie um die Eigenständigkeit der Bands. Es ist immer eine Kombination aus persönlichem Geschmack und der instinktiven Einschätzung, wie eine Band live funktioniert. Und selbst bei schlecht besuchten Konzerten empfinde ich es immer als gutes Omen, wenn die anwesenden dreißig Leute dabei Spaß gehabt haben.
Die ersten Tourneen von Bands, die nicht gerade von irgendeiner Plattenfirma gehypt werden, gestalten sich nun mal grundsätzlich schwierig. Aber es ist dann zumindest ein Anfang gesetzt. Und wenn die Band gut ist, spricht sich das einfach rum.
Wird solch ein Ansatz von den Bands auch entsprechend honoriert?
Nicht unbedingt in Geldwert. (lacht) Aber wenn ich Bands auswähle, ist mir der persönliche Kontakt immer sehr wichtig. Dadurch kann man schon ablesen, ob dies eine langfristige Zusammenarbeit werden kann. Und eigentlich bin ich relativ selten enttäuscht worden.
Was ist das Konzept des ersten Puschen-Festivals?
Das Programm ist ursprünglich eher zufällig entstanden: Mehrere meiner Bands waren gleichzeitig auf Tour. Da habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und eben dieses Festival zusammengestellt. Daran finde ich schön, dass dort keine zwei Bands spielen, die exakt die gleiche Musik machen. Es gibt nicht den großen Headliner, sondern viele gleichwertige Acts, die ihr spezielles Publikum haben. Ich denke, dass sich die meisten Zuschauer ihre drei Favoriten herauspicken und zwischenzeitlich in der Lounge ein Päuschen einlegen werden. Man muss also nicht fünf Stunden auf der Stelle stehen.
Das Puschenfest beginnt heute Abend um 21 Uhr im Club Magnet, Greifswalder Str. 212–213, Prenzlauer Berg
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