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Locken, lecken, lieben

Wer im Winter Frühlingsgefühle erlebt, muss nicht falsch getaktet sein. Schon ein Gang auf den Wochenmarkt kann Wallungen auslösen. Denn dort locken allerhand Liebesmittel – wie Obst und Gemüse. Die wichtigste Zutat ist vor allem Bereitschaft

von MARTINA JANNING

Angela Merkel schwärme noch heute von einem Essen bei Alfred Neven DuMont, berichtete kürzlich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Es habe ein Apfelessen gegeben mit Apfelvorspeise, Apfelhauptgang und einem Apfeldessert. Wir wissen nicht, was Verleger DuMont im Sinn hatte, jedenfalls wird Äpfeln eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Leuchtend, knackig und frisch gelten die prallen Früchte von alters her als Lust steigernd. Schon die Bibel machte sie zum Sinnbild für Verführung.

„Äpfel fördernd die Liebe und die Fruchtbarkeit“, weiß Sabine Hofmann vom Frauenerotikshop La Luna in der Anklamer Straße in Berlin-Mitte. Bei Aphrodisiaka denken die meisten an exotische Wurzeln und Baumrinden aus Südamerika oder Afrika. Aber auch auf dem Wochenmarkt können Adam und Eva viele Liebesmittel entdecken.

Üppige Rettichstangen, knospenkleine Trauben, weiche, saftige Pflaumenhälften – manche Früchte und Gemüse regen schon durch ihr Aussehen Lustfantasien an. Viele verrieten dadurch sogar ihre speziellen Wirkungen, meint Sexualtherapeutin Hofmann. „Wenn man eine Feige aufschneidet, erinnert sie im Inneren an Sperma. Und genau darauf wirkt sie auch: Sie vermehrt den männlichen Samen und fördert die Potenz.“ Als Tantra-Kundige weiß Hofmann eine Menge über aphrodisierende Lebensmittel. Für den Winter empfiehlt sie zum Beispiel Sellerie. Er wirke so stark, dass in alten Schriften sogar davor gewarnt würde, ihn Junggesellen zu verabreichen. Denn sein ätherisches Öl schüre die Liebesglut ins Unkontrollierbare.

Tatsächlich ist die erregende Wirkung in vielen Nahrungsmitteln nachweisbar. Muscheln, insbesondere Austern, enthalten viele Proteine und Mineralstoffe, die Kraft geben und stimulieren. Ingwer regt die Durchblutung an, Knoblauch wirkt entspannend, Schokolade und Bananen setzen Glückshormone frei. Wichtig sei die richtige Menge, sagt Hofmann. Zu viel könne schädlich wirken. „Petersilie beispielsweise fördert das männliche Stehvermögen. Aber hoch dosiert kann sie auch eine Fehlgeburt auslösen.“ Gleiches gilt für Alkohol, zu viel killt jede Lust. In geringen Mengen jedoch entspannt und enthemmt er, beides gute Voraussetzungen für Sex.

Vor allem aber beflügeln Geschmack und Geruch die erotische Fantasie. Die feinen Sinneszellen der Nase registrieren schon kleinste Reize und leiten sie an das limbische System weiter. In diesem ältesten Teil des Gehirns entstehen Gefühle, werden Erinnerungen wachgerufen, Assoziationen geweckt. Kein Wunder, dass im Nocti Vagus zahlreiche duftende, wohl schmeckende Kräuter und Gewürze auf dem Speiseplan stehen. Viele von ihnen wirken aphrodisierend wie der enthemmende Thymian, der Lust mehrende Anis oder der Leidenschaft verleihende Chili. Auch Senf ist ein echter Scharfmacher. Zweimal im Monat spielt das Dunkelrestaurant (Saarbrücker Straße, Prenzlauer Berg) mit seinen Verführungskünsten und serviert „Verbotene Früchte“, ein Programm aus Essen, Musik und Lesung, alles ohne Licht natürlich. „Da der Gast das Menü nicht sieht, steht das Geschmackserlebnis an erster Stelle. Das Essen wird gerochen, ertastet und erschmeckt“, sagt Antje Schulz vom Nocti Vagus. „Die Zutaten werden viel intensiver wahrgenommen, und sicher ist auch die Wirkung eine andere, wenn das Auge nicht mitisst.“

Wie gegessen wird, ist sehr wichtig, betont Tantra-Fan Hofmann. „Ein intensives Erleben gelingt durch langsames, bewusstes Herantasten, auch beim Essen. Die Sinne werden geöffnet, Vorfreude empfunden, und ganz langsam nähert man sich dem Objekt der Begierde, sei es nun eine duftende Speise oder ein lockendes, verführerisches Stück Haut.“ Kleine Häppchen kosten, mit den Fingern essen, sich gegenseitig füttern, etwas in den Mund stecken. „Sicher hat vor allem unordentliches, unanständiges Essen eine aphrodisierende Wirkung.“ Uralt sei zum Beispiel, sich mit Honig einzureiben und ihn genussvoll abzulecken. Wer den Frühstücksaufstrich dafür nicht hergeben mag, kann sich mit Honigpuder aus dem Sexshop bestäuben. Möglichkeiten, mit Lebensmitteln Begierde zu steigern, gibt es viele. Doch wo kein Wille zur Lust, da findet auch kein Aphrodisiakum den Weg in Kopf und Lenden. Hofmann: „Ohne Bereitschaft geht gar nichts.“

Buchtipps: Christian Rätsch/Claudia Müller-Ebeling, Lexikon der Liebesmittel. AT- Verlag 2003. Preis: 78 €. Aljoscha Schwarz/Ronald Schweppe/Wolfgang Pfau, Aphrodisiaka. Natürliche Geheimnisse für Lust und Liebe. Haug-Verlag 1999. Preis: 12,95 €

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