: Am Ende der Pipeline
Die Stadtentwässerung möchte sich nicht alleine für Überschwemmungen haftbar machen lassen. Programm „Wachsende Stadt“ droht das Sielnetz zu überfordern
Die Stadtentwässerung (HSE) befürchtet, mit dem Thema „Wachsende Stadt“ allein gelassen zu werden. „Wir als HSE stehen immer am Ende der Pipeline“, sagt deren Sprecher Matthias Sobottka. Stau- und Versickerungsflächen werden verbaut und zubetoniert, Bauherren missachten hydrologische Gegebenheiten und alle Welt wundert sich, dass bei einem ordentlichen Wolkenbruch Tunnels unpassierbar werden und Tiefgaragen volllaufen. Bei einem Workshop mit Vertretern von Wissenschaft und Verwaltung hat die Stadtentwässerung in der verangenen Woche versucht klar zu machen, dass sie Hamburg nicht alleine vor dem Absaufen retten kann.
Ein krasses Beispiel gibt das Unwetter vom 1. August vergangenen Jahres: Nach Schätzungen der HSE sind an diesem Tag 24 Millionen Kubikmeter Regen über Hamburg niedergegangen. 3,3 Millionen davon sind versickert oder durch die Kanalisation gerauscht, der Rest – die 60fache Wassermenge der Binnenalster – sind auf der Oberfläche abgeflossen. Das Sielnetz war mit dieser Menge hoffnungslos überfordert: Maximal 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser kann das Klärwerk Köhlbrandhöft/ Dradenau täglich verarbeiten. An normalen Tagen sind es 440.000 Kubikmeter.
Das Sielnetz ist auf einen Regenguss ausgelegt, wie er im Durchschnitt alle fünf Jahre einmal vorkommt. „Wenn wir alleine das innerstädtische Kanalnetz auf ein Zehnjahres-Ereignis ausrichten würden, müssten wir 2,7 Milliarden Euro investieren“, rechnet Sobottka vor. Das Unwetter am 1. August sei mindestens ein 75-jähriges Ereignis gewesen, wenn nicht von noch höherem Seltenheitsgrad.
Die Stadtentwässerung beschränkt sich darauf, neuralgische Punkte im Abwassernetz auf Wetterkatastrophen vorzubereiten. 50 solcher „hot spots“ habe die HSE seit 1998 selbst entschärft, sagt Sobottka. Bei weiteren 24 sei sie auf die Zusammenarbeit mit anderen Stellen angewiesen – so wie bei den Projekten für die wachsende Stadt, auf die das Kanalnetz teilweise nicht zugeschnitten sei. Wird mehr Fläche versiegelt, läuft mehr Wasser in die Siele, was diese irgendwann überfordert.
Die HSE fordert daher, bei allen Bauprojekten die Entwässerung im Blick zu behalten. Es müssten Rückhalte- und Versickerungsflächen angeboten werden. Dabei kann es genügen, Parkplätze mit Gittersteinen zu versehen, statt sie zu asphaltieren. Gernot Knödler
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