hamburg heute: Deutsche Meister im KZ
Im taz salon stellt taz-Autor Roger Repplinger seine Biografie zweier Sportler unterm Hakenkreuz vor
Geschmeidig, schnell, elegant: Wenn Johann „Rukeli“ Trollmann boxt, fiebert das Publikum der frühen 30er Jahre am Ring mit. Er hat nur einen „Fehler“: Er ist Sinto, kein „Arier“. Die SA-Leute unter den Zuschauern brüllen: „Leg dich, Zigeuner, oder wir holen dich.“ Als er 1942 ins KZ Neuengamme verschleppt wird, ist ein anderes Sportidol schon da: Tull Harder, Mittelstürmer des Hamburger SV, Nationalspieler, SS-Wachmann.
Taz-Autor Roger Repplinger liest heute aus seiner Doppelbiografie „Leg dich, Zigeuner“ (Piper). Ob sich die beiden Protagonisten im KZ wirklich begegnet sind oder nicht, wird im Verlauf des Buches zu einer sekundären Frage. Repplinger montiert die Karrieren zweier norddeutscher Spitzensportler parallel und erzählt damit viel mehr als nur Sporthistorie.
Es sind zwei Deutschlands, die hier plastisch werden: Das wilhelminisch geprägte, deutschtümelnde Kleinbürgertum, dem der Fußballsport, ja sogar das Wort „Sport“ suspekt, weil englisch, ist. Harder muss in diesem Milieu um sein Recht aufs Kicken kämpfen. Und auf der anderen Seite die karge Existenz der Tagelöhnerfamilie Trollmann in den Gassen von Hannovers Altstadt, aus der Johann sich nur aufgrund seines überragenden Talents freiboxen kann – bis ihn seine Sinto-Herkunft einholt und die Spielräume immer enger werden. Schlusspunkt: Deportation. Repplinger bewegt auch Leser, die alles über das NS-Lagersystem zu wissen glauben, zu einer erneuten Auseinandersetzung mit den Konzentrationslagern.
Der Autor steht nach der Lesung für Fragen zur Verfügung, unterstützt durch Reimer Möller, Archivleiter in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.
taz salon, 20 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73
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